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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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| Innenstadt und Bahnhof200 „Tränen stürzen aus ihren Augen. Sie will ihn nicht loslassen, den Geliebten, den Einzi- gen, den sie unterm Herzen getragen, mit Schmerzen geboren hat; sie will ihn festhalten, festhalten mit ihrer ganzen Seele. Da drängt sich ein alter Herr hinzu und sucht sie zu beruhigen. Auch ihm brennen die Augen, aber, er will stark sein, stark, wenn das Vater- land seinen Sohn ruft.“336 Wenn hier von alten Menschen die Rede ist, darf dies nicht darüber hinwegtäu- schen, dass die Zeitungen in diesen Wochen die höheren Alterskohorten weitge- hend außer Acht ließen. Was die Grazer Zeitungen (von 1914) anbelangt, schienen ältere Menschen nur in den Abschiedsszenen mehrmals auf. Weder wandte sich die Presse ernsthaft den Themen und Belangen älterer Menschen zu, noch wur- den ältere Menschen großflächig auf den hinteren oder vorderen Zeitungsseiten instrumentalisiert. Eine Verklärung des „Greisenalters“ erfolgte lediglich in den Berichten hinsichtlich des „greisen“ Kaisers (der selbst im „Lebensherbst“ noch zu einem so schweren „Gang“ gezwungen sei) sowie in den (wirkmächtigen) Pseu- dogeschichten, denen zufolge sich viele Menschen selbst im hohen Alter noch für den Kriegsdienst freiwillig gemeldet hätten (=  Ausdruck von „Geschlossenheit“, dem „Verteidigungskrieg“ und dem Ernst der Lage).337 Die Berichte, in denen man sich den älteren Personen zuwandte, standen aber in keinem quantitativen Ver- hältnis zu der Artikelflut, die die jüngeren Alterskohorten thematisierte. Der Tren- nungsschmerz durfte den Pressevorgaben zufolge nicht dazu führen, dass man am Bahnsteig oder sonst wo resignierte, geschweige denn in Lethargie verfiel. Die Textstellen, in denen von weinenden Frauen sowie von weinenden (und zurück- bleibenden) Vätern die Rede ist, endeten stets mit dem expliziten Appell, dass man nun stark sein müsse: „Schon gestern [am 26.  Juli] gab es für viele schwere Stunden. Es galt Abschied zu neh- men. Mutter, Gattin, Schwester, Kinder gaben ihrem Lieben, der über Nacht zum Kriegs- manne wurde, das letzte Geleit zum Bahnhofe, denn viele müssen sich in auswärtigen Garnisonsorten melden. Umarmung, Küsse, Tränen. Immer wieder Küsse, bis der Schei- dende durch das Signal zum Einsteigen sich aus der Umarmung befreien mußte. Ein Winken mit dem Taschentuch, begleitet von heißen Tränen, und der Kriegsmann wurde von der Lokomotive entführt. Ermunternd sagt das gebeugte Mütterchen zu der weinen- 336 Abschiednehmen, in: Grazer Montags-Zeitung, 3.8.1914, [ohne Seitenangabe]. 337 Vgl. z.  B. Der älteste Kriegsfreiwillige in Graz, in: Grazer Tagblatt, 17.9.1914, 2.
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Title
Graz 1914
Subtitle
Der Volkskrieg auf der Straße
Author
Bernhard Thonhofer
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln- Weimar
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Size
17.4 x 24.5 cm
Pages
510
Keywords
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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