Page - 232 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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| Innenstadt und
Bahnhof232
tive Milieu folgten prompt Stellungnahmen von Seiten des Volksblatts. Beispielhaft
ist hier der Artikel „Dem ‚Grazer Tagblatt‘“ vom 8. August:
„Dem ‚Grazer Tagblatt‘ gebührt der traurige Ruhm, in dieser ernsten Zeit eine Preßpole-
mik vom Zaune zu brechen, um parteipolitische Geschäfte zu machen. Den Anlaß hie[r]
zu bot unser Marburger Bericht über die Verhaftungen wegen Hochverrats. Für die Her-
ren vom ‚Tagblatt‘ ist es ein Dogma, daß die ganze slowenische Nation, und vor allem die
slowenische Volkspartei, vom Geiste des Hochverrates durchsetzt ist, und weil wir diese
Meinung nicht teilen, und nicht wegen hochverräterischer Umtriebe einzelner Personen
über eine ganze Nation oder eine ganze Partei den Stab brechen, glaubt das Blatt seine
Giftpfeile gegen uns abschießen zu dürfen. Gerade das Verhalten der Slowenen bei der
Ermordung des Thronfolgers sowie bei der Mobilisierung zeigt uns, daß einzelne pan-
slawistische Hetzer, und mögen sie auch das Priesterkleid tragen, den Patriotismus des
slowenischen Volkes nicht erschüttern konnten. [...] Den blinden Rassenhaß zu frönen,
überlassen wir dem ‚Tagblatt‘.“515
Dieser Vorwurf blieb nicht ohne Widerhall, wie man an den Artikeln „Notwen-
dige Feststellungen“ und „Das ‚Grazer Volksblatt‘ versucht auszukneifen“ erken-
nen kann.516 Auch die Tagespost stellte, wie gesagt, regelmäßig die Böhmenfrage
inklusive deutschnationaler Antwort. Dabei betonte sie manchmal den Kriegsein-
satz diverser k. u. k. „Völker“, um so die (vermeintliche) Haltung der „Böhmen“
diskreditieren zu können.517 Nichtsdestoweniger bemühte die Tagespost die Rede
„Ein einig Volk von Brüdern“.518 Das journalistische Reden über die „Einheit“
konnte demnach nicht widersprüchlicher sein. Kritik am sozialdemokratischen
515 Dem „Grazer Tagblatt“, in: Grazer Volksblatt, 8.8.1914 (12-Uhr-Ausgabe), 3.
516 Notwendige Feststellungen, in: Grazer Tagblatt, 9.8.1914, 6; Das „Grazer Volksblatt“ versucht
auszukneifen, in: Grazer Tagblatt, 12.8.1914, 4.
517 Die Slawen Österreichs in der großen Zeit, in: Tagespost, 15.8.1914, 1: „Die patriotischen Kund-
gebungen der Slowenen und Kroaten verdienen es nicht, herabgesetzt zu werden; das Volk emp-
findet innerlich nicht anders wie Deutsche, Polen und Ruthenen. [...] Auch die Südslawen konn-
ten sich im Vaterlande entwickeln, und werden in Zukunft keinen Rückschlag spüren, wenn sie
das historische Werden der Monarchie berücksichtigen und nicht vergessen, daß diese zwar groß
geworden ist durch die Gemeinsamkeitsarbeit aller Völker, daß sie es jedoch nur werden konnte
unter der Führung eines, des deutschen Volkes. Wären unsere offiziösen Kreise nicht durch und
durch geschlechtslos und überängstlich, so müßten solche Tatsachen im gegenwärtigen Zeit-
punkte insbesondere den Tschechen in Erinnerung gebracht werden.“
518 Ein einig Volk von Brüdern, in: Tagespost, 7.8.1914, 1.
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Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Title
- Graz 1914
- Subtitle
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Author
- Bernhard Thonhofer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln- Weimar
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 510
- Keywords
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453