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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Erste „Soldatenerzählungen“ | 239 denen zufolge Kriegsgefangene und Zivilinternierte, die „den besseren Schichten“ angehören, nach Tobelbad, Plankenwart oder Rein gebracht würden.555 Diese Ver- suche von Gerüchteeindämmung verdeutlichen, dass die Zeitungen nur einen ge- ringen Teil der öffentlichen Meinung bilden. Schließlich finden sich in der Presse keine Andeutungen, dass die nach Graz überstellten „Feinde“ – konträr zu den Verwundeten der k.  u.  k.  Armee556 – an bekannten Erholungsorten und Kuranstal- ten versorgt werden würden. Die „Autopsieberichte“ des Tagblatts und der Tages- post diffamierten darüber hianus die (angeblich) „verräterischen“ Geistlichen Ga- liziens (zeitgenössisch meist abwertend: „Pope“557, ähnlich dem Begriff des „Pfaffes“). Diese „Soldatenerzählungen“ zeigen unverkennbar, wie sehr die deutschnationalen Zeitungen die galizische Bevölkerung und insbesondere die (katholischen) „Popen“ verabscheuten. Wohlwollende Äußerungen hinsichtlich der galizischen Bevölkerung sucht man beispielsweise im Tagblatt und seinem ständig wiederkehrenden Primat des „Deutschtums“ (in Politik, Wissenschaft und Kunst) vergebens. Ähnlich urteilten die „Autopsieberichte“ des Tagblatts über ga- lizische Juden. In einer dieser „Mitteilungen eines Verwundeten“ hieß es, dass k.  u.  k.  Soldaten einem galizischen Juden eine rechtmäßige Behandlung widerfah- ren ließen, zumal der Jude ein sogenannter Wucherer gewesen sei.558 Für den Arbeiterwillen, der seit dem Sarajevoer Attentat täglich die bürgerlichen Redakti- onen kritisierte, dienten die Verwundeten als Kontrast zu den daheimgebliebenen Journalisten der bürgerlichen Presse sowie zu denjenigen, die den Krieg auf die leichte Schulter nahmen.559 Letztendlich war seine Kritik an den „wohlgeschützten Redaktionsschreibtisch[en]“560 bzw. an den „verantwortungslose[n] und ah- nungslose[n] Leute[n] hinter kugelsicheren Redaktionstischen, [die] den Krieg 555 Ebenso wie Marienbad (Mariánské Lázně) und Karlsbad (Karlovy Vary) berühmte Kurorte der Habsburgermonarchie. 556 Verwundetentransport nach Tobelbad, in: Grazer Tagblatt, 12.9.1914, 3. 557 Aus den Mitteilungen eines verwundeten steirischen Offiziers, in: Grazer Tagblatt, 4.9.1914, 3. 558 Aus den Mitteilungen eines Verwundeten, in: Grazer Tagblatt, 3.9.1914, 3: „Einem Juden, der viele Enten auf seinem Hofe hatte, boten [die österreichischen, zahlungsfähigen und zahlungs- willigen Soldaten] für ein Stück 3 [... Kronen], obwohl der landesübliche Preis höchstens 2 [... Kronen] beträgt. Da der Jude sich weigerte, seine Enten herzugeben, wurden ihm alle weggenom- men. Nun lebten die Soldaten wieder gut.“ 559 Bei den Verwundeten, in: Arbeiterwille, 5.9.1914, 3: „Wohl gab es keine Jauchzerei mehr und kein Geschrei mehr, wie bei der Abfahrt, aber auch keine Traurigkeit und keinen Jammer. Wohl waren alle die Männer ernst, recht ernst geworden, aber doch voll Hoffnung und Zuversicht und vor allem getragen von der Erkenntnis getreuer Pflichterfüllung und von einem gewissen Stolz, dieses Pflichtgefühl nicht allein mit Worten, sondern auch durch die Tat zum Ausdruck gebracht zu haben.“ 560 Nach zehn Wochen, in: Arbeiterwille, 18.10.1914, 1.
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Title
Graz 1914
Subtitle
Der Volkskrieg auf der Straße
Author
Bernhard Thonhofer
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln- Weimar
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Size
17.4 x 24.5 cm
Pages
510
Keywords
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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