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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Grazer Frauenhilfskomitee | 251 Gemeinwohls unterordnen würden. Zeigen möchte ich dies vorläufig an einem Leitartikel aus den Oktobertagen: „Zu Beginn des Krieges proklamierte der Deutsche Kaiser, der so oft vorher gegen ein- zelne Parteien demonstrativ Stellung genommen hatte, eine Art Gottesfrieden: ‚Ich kenn[e] keine Partei.‘ Naive Gemüter glauben seither wirklich, daß die politischen Par- teien aufgehört haben. Aber die harten Tatsachen kehren immer wieder, daß die wirt- schaftlichen Interessen einer Klasse oder Schichte [sic] unter allen Umständen über fromme Wünsche und selbst über Befehle einzelner Mächtiger hinwegschreiten. Beweis dafür das Verhalten der Agrarier in Deutschland, in Österreich und in Ungarn. [...] Wo ist da der der Patriotismus der Großgrundbesitzer, der großen und mittleren Bauern, der Getreide- und Mehlspekulanten? Es fällt ihnen nicht ein, den Worten des Deutschen Kaisers oder den Wünschen der österreichischen Preßzensoren, die den Parteienkampf während des Krieges ausgemerzt wissen wollen, zu folgen und ihre persönlichen und Standesinteressen dem Gesamtwohl zuliebe auch nur im geringsten aufzuopfern. Die Bevölkerung hungert – aber keine Organisation der Agrarier, keine Landwirtschafts- gesellschaft und keine Zentralstelle, kein klerikaler, kein nationaler Agrarier erläßt an seine Partei- und Standesgenossen den Aufruf: Ich kenne keine Partei, ich kenne kein Sonderinteresse, keinen Klassenkampf – verkauft das Getreide und das Mehl, das ihr aufgespeichert habt, an die Bevölkerung, die ohnehin für das Vaterland so große Opfer bringt!“620 Derartige Vorwürfe finden sich mehrfach in den Grazer Zeitungen und Zeitschrif- ten: „Wo bleibt der Patriotismus des [deutschen] Rüstungskapitals?“621 Rhetorische Fragen wie diese hängen mit dem (ambivalenten und zerklüfteten) Burgfrieden zusammen. Dem war so, weil es viele alltagsbezogene (Ordnungs-) Vorstellungen darüber gab, wie der Krieg und das Zusammenhalten in der „Heimat“ zu funk- tionieren habe. Die unterschiedlichen Facetten dieser Kosten-/Nutzenfrage bzw. dieser Patriotismusfrage schlagen sich vielfach in den Quellen nieder. Und auf diese Patriotismusfrage gab es mehrere (wenngleich nicht immer konkurrierende) Antworten. Dieser Pluralismus verwehrte aber eine einheitliche „Burgfriedens- definition“ von Anfang an. 620 Ich kenne keine Partei ..., in: Arbeiterwille, 7.10.1914, 1. 621 Wo bleibt der Patriotismus des Rüstungskapitals?, in: Arbeiterwille, 9.8.1914, 3.
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Title
Graz 1914
Subtitle
Der Volkskrieg auf der Straße
Author
Bernhard Thonhofer
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln- Weimar
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Size
17.4 x 24.5 cm
Pages
510
Keywords
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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