Page - 259 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
Image of the Page - 259 -
Text of the Page - 259 -
Arbeitslosigkeit | 259
zur Erhöhung von Profiten“ ausnützen würde.17 Das sei „unpatriotisch“.18 Und aus
der Ortsgemeinde Krieglach berichtete man dem Arbeiterwillen, dass so „mancher
Meister“ glaube, dass er „seine Brutalität den Arbeitern jetzt noch mehr“ spüren
lasse, indem er Folgendes herumschreie: „Wem es nicht recht sei, der könne gehen,
wir bekommen Leute genug!“19 Artikel wie diese finden sich mehrfach in den Lo-
kalteilen des Arbeiterwillens und sie verdeutlichen, dass sich die Zeitung – auch
im Krieg – hauptsächlich auf die Seite der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen
stellte.
Die Arbeitslosen lasen die Stellenausschreibungen von Privaten20 sowie jene Jo-
bangebote, die vom Grazer Arbeitsvermittlungsamt (siehe unten) ausgeschrieben
wurden.21 Ferner schalteten sie Inserate.22 Die angespannte Situation am Arbeits-
markt nimmt man auch dort wahr, wo die Presse Fragen ihrer Abonnenten und
Abonnentinnen beantwortete. In der Rubrik „Briefkasten der Schriftleitung“ des
Tagblatts schlugen sich beispielsweise seit Kriegsausbruch mehrere Fragen zum
Thema „Arbeitschancen“ und „Arbeitsrecht“ nieder. Im November antwortete das
Tagblatt einmal: „Bei der herrschenden Arbeitslosigkeit läßt sich ein Rat schwer
erteilen. Bei einiger Geduld und eifriger Nachfrage dürfte sich jedoch im Laufe
der Zeit schon ein geeigneter Posten finden.“23 Die Erwerbslosen wandten sich
auch an den Staat oder an die privaten Wohlfahrtsprogramme.24 Außerdem kon-
sultierten sie das Grazer Arbeitsvermittlungsamt (in der Hofgasse).25 Seit Ende Juli
17 Vom Bauberuf, in: Arbeiterwille, 4.12.1914, 7.
18 Ebd.
19 Krieglach, in: Arbeiterwille, 2.10.1914, 4.
20 Braves, deutsches Mädchen für alles findet sofort dauernde Stelle bei kleiner deutscher Lehrerfa-
milie in Unterkärnten [Annonce], in: Grazer Tagblatt, 1.9.1914, 8.
21 Steiermärkische Arbeitsvermittlung, in: Arbeiterwille, 15.8.1914, 10.
22 Reservistenfrau bittet um [Annonce], in: Arbeiterwille, 23.8.1914, 11.
23 Briefkasten der Schriftleitung, in: Grazer Tagblatt, 13.11.1914 (2. Morgenausgabe), 7.
24 So ließ der jüdische „Verein für fromme und wohltätige Zwecke“ seit August Ehefrauen von
Soldaten Zuschüsse zukommen und er betreute vereinzelt auch unversorgte Kinder, vgl. Karner
(22005), 113.
25 Das 1897 eröffnete Grazer Arbeitsvermittlungsamt vermittelte kostenlos Arbeitsplätze (Des Wei-
teren half es bei der Lehrlings- und Reservistenvermittlung). Seit 1902/03 half es auch einkom-
mensschwächeren Menschen bei der Wohnungssuche. Zudem war das Amt für die Arbeitslo-
senfürsorge zuständig. Später errichtete man eine Zweigstelle in Bruck a. d. Mur, weshalb man
in weiterer Folge von den (zwei) steiermärkischen Arbeitervermittlungsämtern sprach. Beide
Vermittlungsämter hatten – in einer Zeit, als es grob gesagt noch kein „Arbeits- und Sozial-
ministerium“ gab – Vorbildcharakter für weitere Arbeitsvermittlungsämter in der cisleithani-
schen Reichshälfte (Wien erhielt 1898 ein kommunales Arbeitsvermittlungsamt). Im Ersten
Weltkrieg vermittelte (zumindest) das Grazer Arbeitsvermittlungsamt auch Flüchtlinge. Die
Rechenschaftsberichte und Analysen erstellte sowohl der jeweilige Referent der Zweigstellen als
back to the
book Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße"
Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Title
- Graz 1914
- Subtitle
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Author
- Bernhard Thonhofer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln- Weimar
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 510
- Keywords
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453