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Andrang auf die Geldinstitute | 275
„patriotische Pflicht“126 der Daheimbleibenden. Und auch in puncto Steuern fin-
den sich gleich mehrere Appelle in ein und demselben Zeitungsexemplar.127 Einige
Male sahen die Zeitungen auch ein, dass viele Menschen aufgrund der wirtschaft-
lichen Turbulenz nicht in der Lage waren, die Steuern und Gebühren zu bezahlen.
Beispielsweise kolportierte die Tagespost, dass die Steuern nicht bezahlt werden
können, „wenn Tausende und Abertausende arbeits- und stellenlos“ sind.128 Neben
der Presse trat freilich auch die k. k. Finanzlandesdirektion für Steiermark129 in
mehreren (ermahnenden) Aussendungen an die Bevölkerung heran.130 Allerdings
darf man das geringe Ausmaß der ausbleibenden Steuer- und Gebühreneinnah-
men nicht überbewerten. Schließlich waren die Steuereinnahmen der letzten Vor-
kriegsjahre nie sonderlich hoch, was letztendlich dazu führte, dass der Staat den
Krieg nicht mit Steuern finanzierte (nicht finanzieren konnte).131 Vor dem Krieg
zahlten zum Beispiel rund 10 Prozent der cisleithanischen Bevölkerung Einkom-
mensteuer. Der Rest verdiente weniger als 1.200 Kronen und musste daher keine
Einkommensteuer zahlen. Eine allgemeine Umsatzsteuer gab es nicht. Die Steuern
fielen daher nie sonderlich ins Gewicht und im Ersten Weltkrieg wurden die indi-
rekten Steuern (z. B. auf Brot, Fleisch, Zucker, Tabak oder Bier) aufgrund der Wa-
renknappheit und des Aufkommens diverser Ersatzstoffe mehr und mehr hinfällig.
Rückblickend erfolgte die Finanzierung des Kriegs zu drei Fünftel via Kriegsanlei-
hen und zu zwei Fünftel via Notenpresse (das heißt: eine Defizitfinanzierung via
Kredite bei der Notenbank).132
126 Aufruf zur pünktlichen Entrichtung der Steuern, Gebühren und sonstigen staatlichen Abgaben,
in: Grazer Mittags-Zeitung, 2.9.1914, 3.
127 Siehe z. B. die Artikel „Aufforderung zu pünktlicher Steuerzahlung“ und „Bezahlt die Rechnun-
gen“, in: Steiermärkisches Gewerbeblatt, 1.9.1914, 3, 4.
128 Auf zur Arbeit!, in: Tagespost, 8.8.1914, 1.
129 Aufruf zur pünktlichen Entrichtung der Steuern, Gebühren und sonstigen staatlichen Abgaben,
Verlautbarung der Statthalterei vom 22.8.1914, in: Verordnungsblatt der k. k. steiermärkischen
Statthalterei (9.9.1914), 317.
130 Die Steuern müssen während des Krieges weiter bezahlt werden!, in: Kleine Zeitung, 7.8.1914,
6. Vgl. auch: Die Steuern müssen auch während des Kriegszustandes gezahlt werden!, in: Grazer
Tagblatt, 7.8.1914, 4.
131 Vgl. das Folgende in: Sandgruber (1995), 16, 327–330.
132 Grundlegendes zu den Kosten und der Finanzierung des Kriegs in: Sandgruber (1995), 16, 327–
330. Teilweise auch: Baltzarek (1973). Für die Steiermark: Moll (1998/99). Für Salzburg: Höck
(2014).
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Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Title
- Graz 1914
- Subtitle
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Author
- Bernhard Thonhofer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln- Weimar
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 510
- Keywords
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453