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Ausstattungsfrage und Postämter | 279
betreffenden Artikel um eine Zuschrift der steirischen Landesgenossenschaft der
Destillateure und Gärungsessigerzeuger handelte.155 Trotzdem könne das Tagblatt
sowohl die Gegner als auch die Befürworter des Alkoholverbots verstehen, zumal
beide Seiten „wohl vereinbar sind.“156 Niemand, so die Stellungnahme, hätte jemals
die Ansicht vertreten, dass der Soldat übermäßig Alkohol konsumieren sollte.
Aber es kann keiner bestreiten, so das Tagblatt, dass „nach ärztlicher Weisung“ der
Alkoholkonsum durchaus nützlich sei. Dieser Vorfall belegt zum einen die anhal-
tende Auseinandersetzung zwischen den Abstinenzbewegungen auf der einen
Seite und den Brauereien und Destillateuren auf der anderen Seite, und zum ande-
ren, dass viele (privatwirtschaftliche) Kriegsratschläge ins Leere liefen bzw. sogar
kontraproduktiv wirken konnten. In diesem konkreten Fall erhofften sich die Al-
koholproduzenten, dass sie ihre medienwirksam unter Druck stehenden Produkte
weiterverkaufen konnten.157 Der Arbeiterwille empfahl anfänglich (!) auch, dass
man dem Soldaten Geld mitgeben sollte: „Bargeld können die Soldaten überall
brauchen […].“158 Eine Folge davon war, dass viele Menschen den Soldaten Geld
„schickten“. Einige Zeitungen berichteten bereits im Juli, dass die Zahl der telegra-
fischen Geldanweisungen am Grazer Hauptpostamt „rapid[e]“ stieg.159 Ferner kam
es zu langen Warteschlangen vor den Postschaltern, wo die Menschen ihre Feld-
post aufgaben oder nach ausstehender Feldpost von der Front fragten.160 Die Be-
lastung der Postämter war angesichts der Unsummen an Feldpost (Geldbrief, Brief,
Karte, Paket) kaum zu übersehen.161 Ein Problem, das sowohl von den zuständigen
Ministerien162 als auch von der Presse bemerkt und kritisiert wurde, stellte die
enorme Anzahl an Geldbriefen dar. Diese Briefe, in denen man den Soldaten Geld
an die Front überwies, erachteten die Zeitungen sehr bald als nutzlos. Schließlich
155 Ebd.
156 Ebd.
157 Zudem mussten die Alkoholproduzenten die ministeriell verordneten Produktionserschwernisse
bewältigen. Siehe z.
B. für Cisleithanien: Verordnung der Ministerien des Inneren, der Finanzen,
des Handels und des Ackerbaues vom 27. Oktober 1914 wegen Beschränkung der Verwendung
gewisser Stoffe zur Branntweinerzeugung in der Betriebsperiode 1914/15, in: Verordnungsblatt
für den Dienstbereich des k. k. Finanzministeriums für die im Reichsrate vertretenen Königrei-
che und Länder (3.11.1914), 749.
158 Das exemplarisch angeführte Zitat stammt aus: Was soll man den Soldaten schenken, in: Arbei-
terwille, 6.8.1914, 3.
159 Großer Andrang im Geldverkehre, in: Grazer Volksblatt, 28.7.1914, 5.
160 Unregelmäßigkeit in der Bestellung von Feldpostsendungen, Erlass der Statthalterei vom
15.9.1914, in: Verordnungsblatt der k. k. steiermärkischen Statthalterei (23.9.1914), 327.
161 Zu den Komplikationen bei der Feldpostbeförderung in Deutschland: Ulrich (1997), 40–51.
162 Vorrangig: Kriegsministerium, beide Innenministerien und beide Handelsministerien.
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Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Title
- Graz 1914
- Subtitle
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Author
- Bernhard Thonhofer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln- Weimar
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 510
- Keywords
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453