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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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| Alltag und Einheitsprüfungen312 zu allen Zeiten gewisse semitisierte Rassenelemente waren.“ Dieser Argumenta- tionslinie folgend, konnte es daher nur heißen: „Einen solchen Antisemitismus unterdrücken zu wollen, hieße alles ideale Streben in der Menschheit ertöten; und ein solches Vorgehen wäre um so verhängnisvoller, als die Anhänger dieses Anti- semitismus zugleich die ehrlichsten Verfechter des nationalen Gedankens gegen- über dem charakterlosen Kosmopolitismus und die Hochhalter einer sittlichen Lebensauffassung sind.“ Dieser Artikel, der unter anderem auf Theodor Fritsch, dem Verfasser des „Antisemiten-Katechismus“ (1887), rekurrierte und aus einem seiner Artikel eins-zu-eins zitierte, endete mit folgenden zwei Schlusssätzen: „Wir aber haben auch während des Burgfriedens die Pflicht, Hüter und Verbreiter des völkischen Hochgedankens zu bleiben. Wir erweisen damit dem Volke und dem Vaterlande einen großen Dienst.“ Ähnlich argumentierte auch, wie erwähnt, die deutschnationale Pantz-Partei. Sie verstand unter dem „Burgfrieden“ lediglich den Zusammenhalt aller „deutschen“ Parteien. Die „slawischen“ Parteien blieben somit außen vor.332 So zeigt sich auch an diesen Beispielen, dass etwaige Burgfriedens- komponenten, wie „Nation“, „Konfession“ und/oder „Rasse“, je nach politischer oder ganzheitlicher Lebensauffassung eine einheitliche Burgfriedensdefintion ver- unmöglichten. Und diese gesellschaftlichen Konflikte (innerhalb der Monarchie) lassen sich mehrfach schwarz auf weiß in den (präventiv zensierten) Zeitungen und Zeitschriften finden. In den Zeitungen schlug sich nicht nur der anhaltende Nationalitätenkonflikt (der sich rückblickend nur sporadisch von der Konfessionsfrage trennen lässt) nie- der, sondern man erfährt aus ihnen auch von anderen wesentlichen Grundzügen des Kriegsalltags. Bezüglich des Kirchenalltags wurden die sogenannten Kriegs- betstunden und die Verschränkung der Habsburger mit der römisch-katholischen Kirche bereits angesprochen. Daneben gab es selbstverständlich noch weitere und ebenfalls kaum zu übersehbare Alltagsmomente. Rückblickend zeigen sie aus meiner Sicht alle, wie sehr die in jeder Alltagsnische schlagartig spürbaren (aber nicht zuvor geahnten) Kriegsfolgen zu einer normativen, finanziellen und nicht zuletzt lebensbedrohlichen Herausforderung für die Bevölkerung wurden. Fra- gen, wie „Was kann ich mir leisten?“ oder „Sollen wir heiraten?“, sind hier zu nen- nen. Schlussendlich fanden seit Ende Juli 1914 in den Grazer Kirchen zahlreiche Kriegstrauungen statt.333 Diese wurden unter anderem für hochrangige Militärs 332 Siehe das Kapitel: Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache. 333 Unter einer „Kriegstrauung“ versteht man die Heirat zwischen einem Soldaten und einer Zivi- listin. Vgl. den Lexikonartikel „Kriegstrauung“ von Susanne Rouette in: Hirschfeld/Krumeich/ Renz (22014), 662–663. Speziell zu Freiburg im Breisgau: Chickering (2009), 335–337. Für Wien: Breiter (1991), 163–168.
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Title
Graz 1914
Subtitle
Der Volkskrieg auf der Straße
Author
Bernhard Thonhofer
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln- Weimar
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Size
17.4 x 24.5 cm
Pages
510
Keywords
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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