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Kirchen und Friedhöfe | 313
sowie für Teile der Zivilverwaltung durch die kriegsbedingte Heiratserleichterung
begünstigt.334 Viele von ihnen konnten daher „gegen nachträgliche Sicherstel-
lung der vorgeschriebenen (allenfalls verminderten) Heiratskaution“ heiraten.335
Ebenso bedurften die eingerückten Reserve- und Ersatzreservemannschaften „zur
Eheschließung keinerlei militärbehördliche Bewilligung.“336 Auch die Zeitungen
widmeten sich dieser Hochzeits- und Unterstützungsfrage, denn für die Redakti-
onen stellten unverheiratete Frauen eine gewisse Gefahr für die gesellschaftliche
„Ordnung“ dar. Bereits während des Kriegs mussten Witwen erfahren, dass sie
„nur wenig Chancen auf Wiederverheiratung“337 hatten. Das war umso schlim-
mer, weil es sich bei den sogenannten Kriegerwitwen meist um junge Frauen (oft
mit Kindern) handelte, für die in keinem der Kriegsstaaten vernünftige Notpro-
gramme oder akzeptable Witwenpensionen existierten.338 Dass der Krieg per se
zu einer Verschlechterung der Heiratsaussichten führen würde, wurde jedoch von
den Redaktionen in Abrede gestellt. Die durch den Krieg verringerte Anzahl an
Männern würde beispielsweise gemäß dem Artikel „Krieg und Heiratsaussichten“
nicht zwangsläufig zu verminderten Heiratsaussichten führen.339 Entscheidend sei
einzig und allein der Ausgang des Kriegs. Im Falle eines Siegs würde es nämlich zu
einem wirtschaftlichen Aufschwung kommen, der sich nicht negativ auf die Zahl
der Eheschließungen auswirken würde. Im Gegenteil: er würde „den Mut zur Fa-
miliengründung stärken“.340 Ob man nun wirklich dieser Meinung war oder ob es
sich hierbei just um eine beschwichtigende Äußerung handelte, von der man sich
erhoffte, sie würde diesbezüglich verunsicherte Menschen beruhigen, lässt sich
heute nicht mehr feststellen. Aber selbst wenn es sich hier nur um einen von vielen
Artikeln handelte, der beruhigend auf die Bevölkerung einwirken wollte, kann aus
heutiger Sicht davon ausgegangen werden, dass unverheiratete Frauen, ganz zu
schweigen von den „unsittlichen“ Frauen, als Bedrohung für das Zusammenleben
im Staate angesehen wurden. Die Kriegstrauungen wurden in Graz schlicht ge-
334 Nicht jeder Soldat konnte/durfte heiraten (Konnubiumsgrenze in „Soldatenklassen“, Heiratskau-
tion/Nebenverdienst). Zur „Heiratspolitik“ des Militärs vgl. Wagner (1987), 595.
335 Die Heiraten in der Armee, in: Grazer Volksblatt, 8.8.1914, 4. Vgl. parallel: Die Heiraten in der
Armee, in: Kleine Zeitung, 9.8.1914, 4.
336 Militärbehördliche Ehebewilligung, in: Grazer Mittags-Zeitung, 1.10.1914, 4.
337 Ich zitiere hier den Aufsatz „Frauen“ von Ute Daniel in: Hirschfeld/Krumeich/Renz (22014),
116–134, 122.
338 Siehe zu diesem Thema die Arbeiten von Ute Daniel und Susanne Rouette, vgl. exemplarisch den
Lexikonartikel „Kriegerwitwen“ von Susanne Rouette in: Hirschfeld/Krumeich/Renz (22014),
626–627.
339 Krieg und Heiratsaussichten, in: Grazer Mittags-Zeitung, 27.11.1914, 4.
340 Ebd.
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Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Title
- Graz 1914
- Subtitle
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Author
- Bernhard Thonhofer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln- Weimar
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 510
- Keywords
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453