Page - 343 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Demonstrationen vor Geschäften | 343
Tage vor dem Attentat auf den serbischen König Aleksandar (1903) gewusst, dass
ein Anschlag auf diesen geplant sei. Auch vom Sarajevoer Attentat dürfte er – so
der Vorwurf – im Vorhinein Bescheid gewusst haben. Wujkovic wurde daraufhin
von der Polizei verhaftet und ins Landwehrdivisionsgericht überstellt. Er bestritt
alle Vorwürfe und gab an, dass Paschek aufgrund seines massiven Alkoholkonsums
den Friseurladen „verludert“ habe.494 Im Endeffekt kam Veselin Wujkovic nach
vier Wochen frei, nachdem die Ermittlungen Pascheks Anschuldigungen nicht be-
stätigten konnten. Wujkovic erhob in weiterer Folge eine Ehrenbeleidigungsklage
gegen Paschek. Paschek musste in einer Zeitung eine (entschuldigende) Ehren-
erklärung495 abgegeben und spendete 40 Kronen an das Rote Kreuz.496 Weniger
dramatisch verlief der Vorfall rund um den Friseur Johann Mokos, der sein Ge-
schäft am Grazer Floßlendplatz hatte. Auch ihm warf man vor, ein „Serbe“ zu sein.
Anfang August ließ Mokos daher über den Weg der Presse verlautbaren, dass er
diejenigen, die über ihn Gerüchte verbreiten, gerichtlich belangen werde:
„Gegen mich, Johann Mokos, Friseur in Graz, Floßlendplatz, werden böswillige Ge-
rüchte verbreitet, daß ich ein ‚Serbe‘ wäre, was ich im Gegenteil jedem beweisen kann,
daß ich ein österreichischer Untertan bin. Daher werde ich jeden Weiterverbreiter dieser
Gerüchte, welche mich in meiner Ehre sowie in meinem Geschäfte zu schädigen willens
sind, gerichtlich belangen.“497
Sowohl die beiden Demonstrationen vor den Grazer Geschäften als auch die bei-
den Friseur-Vorfälle zeigen, dass die ersten Kriegsmonate von innerstädtischen
Konflikten geprägt waren. Vielfach entstanden diese erst durch Gerüchte sowie
durch Anzeigen, welche ebenso den Grazer Alltag zu Kriegsbeginn formten. Aus
dem Artikel „Blinde Hetze gegen angebliche Serbenfreunde“ der Kleinen Zeitung
geht dies besonders anschaulich hervor: „Täglich zeigen Vorfälle in Graz und aus-
wärts, daß die Zeiten der allgemeinen Aufregung oft benützt werden, um an dem
oder jenem persönliche Rache zu üben.“498 Fallweise, so die Kleine Zeitung, „ge-
494 Ebd.
495 Erklärung [Annonce], in: Grazer Volksblatt, 22.11.1914, 16: „Erklärung. Nachdem die Untersu-
chung gegen Herrn Weselin Wujkovits, Friseur in Graz, Stempfergasse 6, beim k. k. Divisions-
gerichte eingestellt wurde, hat Herr Wujkovits gegen mich die Ehrenbeleidigungsklage erhoben,
jedoch diese nach durchgeführten Verfahren über meine Ehrenerklärung und Erlag einer Sühne
für Kriegsfürsorgezwecke zurückgezogen, wofür ich demselben herzlich danke. Franz Paschek.“
496 Der Geschäftsneider als Auskunftsperson, in: Arbeiterwille, 15.11.1914, 9.
497 Erklärung [Annonce], in: Arbeiterwille, 4.8.1914, 6.
498 Blinde Hetze gegen angebliche Serbenfreunde, in: Kleine Zeitung, 19.8.1914, 6.
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Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Title
- Graz 1914
- Subtitle
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Author
- Bernhard Thonhofer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln- Weimar
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 510
- Keywords
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453