Page - 371 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Soldaten abseits der Truppe | 371
Soldaten aus unbekannter Ursache mit dem Bajonett in den Bauch gestochen“.630
So stand es jedenfalls im Arbeiterwillen. Die Mittags-Zeitung berichtete dage-
gen, dass der Tagelöhner, der obendrein „ein bekannter Raufer sein soll“631, nur
von einem Soldaten attackiert wurde. Als Beispiel für die Auseinandersetzun-
gen zwischen zwei Soldaten sei auf einen Vorfall verwiesen, der sich Ende Juli
in der Lazarettgasse zutrug. Dort gerieten zwei Soldaten in Streit, der mit einem
„tiefgehenden“632 Bajonettstoß in den Unterschenkel endete. Der Verletzte musste
aufgrund des „enormen Blutverlust[s]“ mit dem Rettungsauto in das Garnisons-
spital (heute: Steiermärkisches Landesarchiv) gebracht werden.633 Ein anderer
Soldat „wurde im Gymnasium in der Överseegasse [...] von einem Zugführer mit
dem Bajonett derartig in die linke Brustseite gestochen, daß er lebensgefährlich
verletzt mit dem Rettungsauto in das Garnisonsspital gebracht wurde und kaum
mit dem Leben davonkommen dürfte.“634 Weniger dramatisch verlief dagegen die
Säbelattacke eines Feldwebels gegen mehrere Reservisten zu später Stunde in ei-
nem Kaffeehaus.635 Die Überwältigung des Feldwebels durch die Reservisten en-
dete dennoch mit einem leichtverletzten Hilfsarbeiter, der sich eigentlich nicht am
Streit beteiligt hatte.
Während die Julitage in Graz von Regen und Gewitter gekennzeichnet waren,
entnimmt man den späteren Wetterberichten eine Hitzewelle. So kamen zum Bei-
spiel infolge „der großen Hitze, die gestern [am 3. August] über der Stadt brütete,
[...] eine Reihe von Hitzschlägen, Ohnmachtsanfällen u. s. w., insbesondere unter
den Reservisten vor.“636 In den meisten Fällen mussten die Soldaten, die aufgrund
eines Hitzeschlags auf offener Straße, in den Geschäften, im Kino, am Bahnhof oder
in Militärgebäuden637 zusammenbrachen, mit den Rettungsautos in diverse Kran-
kenhäuser eingeliefert werden.638 Hierbei sei vermerkt, dass die Puch-Werke, deren
630 Durch einen Bajonettstich verletzt, in: Arbeiterwille, 9.9.1914 (Abendausgabe), 3, 4.
631 Rauferei, in: Grazer Mittags-Zeitung, 9.9.1914, 3.
632 Eine Rauferei zwischen zwei Soldaten, in: Arbeiterwille, 29.7.1914 (Abendausgabe), 2.
633 Ebd.
634 Mit der Seitenwaffe gestochen, in: Grazer Volksblatt, 30.7.1914 (Abendausgabe), 3. Vgl. parallel:
Mit der Seitenwaffe gestochen, in: Kleine Zeitung, 31.7.1914, 5.
635 Freund Alkohol in Kriegszeiten, in: Arbeiterwille, 31.8.1914 (Abendausgabe), 4.
636 Folgen der Hitze, in: Grazer Tagblatt, 4.8.1914, 5.
637 Kasernen, Industriehalle, Schulen, Schießstätte Feliferhof usw.
638 Diesen Eindruck erhält man bereits durch folgende Artikel: Unfälle unter Reservisten, in: Grazer
Volksblatt, 4.8.1914, 6; Hitzschläge und Unfälle von Reservisten, in: Arbeiterwille, 4.8.1914, 4;
Unfälle von Reservisten, in: Arbeiterwille, 6.8.1914, 4; Mit dem Rettungsauto, in: Arbeiterwille,
7.8.1914, 3; Unfälle, in: Kleine Zeitung, 7.8.1914, 6; Unglücksfall, in: Grazer Mittags-Zeitung,
20.8.1914, 3; Bewußtlos, in: Grazer Mittags-Zeitung, 27.8.1914, 3; Von heftigen Magenkrämp-
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Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Title
- Graz 1914
- Subtitle
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Author
- Bernhard Thonhofer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln- Weimar
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 510
- Keywords
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453