Page - 378 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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| Alltag und
Einheitsprüfungen378
Zeitungen nur sehr wenig. Ende Juni 1914 nahm es beispielsweise an der Eröff-
nung des Denkmals „Batterie der Toten“ in Gamlitz (Gomilica) teil.677 Nach dem
Attentat von Sarajevo spekulierte das Tagblatt kurzzeitig und folgenlos, ob nicht
der Grazer Robert Grein (Leutnant und Fahrer des Motorfahrerkorps) den Wa-
gen, in dem das Thronfolgerpaar saß, gelenkt hatte.678 In weiterer Folge stellte sich
aber heraus, dass Leopold Lojka den Attentatswagen gefahren hatte. Während der
ersten Mobilisierungsphase beförderte das Korps „unaufhörlich Offiziere“ durch
die Stadt.679 Ferner betonte die bürgerliche Presse demonstrativ, dass der frühere
Grazer Bürgermeister Robert Fleischhacker und der frühere Bürgermeisterstell-
vertreter Heinrich Brecht im Korps dienten.680 Das Korps wurde später auch an
der Front eingesetzt.681
Zu den Veteranenvereinen: Neben dem Bürgerkorps zählten der Grazer Erz-
herzog-Heinrich-Militär-Veteranenverein sowie der Grazer Graf-Gleispach-Mili-
tär-Veteranenverein zum Landsturm. Sie wurden, wie der rund 40 Männer starke
Veteranenverein St.
Peter, im August in der neuen Landwehrkaserne vereidigt und
nach ihrer Ausbildung zum Wachdienst herangezogen.682
Zu den Bürgerwehren: Abseits der Grazer Wache und des Landsturms trugen
einige (zivile) Bürgerwehren zur Aufrechterhaltung von „Ruhe und Ordnung“ bei.
Zumindest entsprach dies ihrem Selbstverständnis. Ihre Schaffung wurde vom Mi-
litärkommando Graz, von Privatpersonen, von einigen Bezirkshauptmannschaf-
ten sowie von einigen Bürgermeistern angeregt.683 Dabei war man nicht immer
erfolgreich. Das Militärkommando forderte diverse Behörden zur Bildung von
„Freiwilligenkorps“ auf, weil es von einer potentiellen Invasion ausging. So bestehe
durchaus die Möglichkeit, dass „Garibaldianer und sonstige unverantwortliche
Elemente“ den Umstand, dass fast kein Militär im Herzogtum Steiermark mehr sei,
677 Die Vorbereitungen für die Enthüllung des Denkmals der „Batterie der Toten“ in Gamlitz, in:
Grazer Tagblatt, 27.6.1914, 3.
678 Wie berichtet, sollte ein Mitglied des freiwilligen Motorfahrerkorps, in: Grazer Tagblatt,
30.6.1914, 5.
679 Ein Straßenbild, in: Grazer Tagblatt, 31.7.1914, 5.
680 Robert Fleischhacker fungierte auch als Dolmetscher im (Grazer) Landwehrdivisionsgericht. Vgl.
hierzu: Unsere früheren Bürgermeister im Kriegsdienste, in: Grazer Tagblatt, 4.8.1914 (Abend-
ausgabe), 3; Der gewesene Bürgermeisterstellvertreter von Graz, in: Grazer Tagblatt, 10.8.1914
(Abendausgabe), 2; Im Kriegsdienste, in: Grazer Tagblatt, 13.9.1914, 2.
681 Vom freiwilligen Motorfahrerkorps, in: Grazer Tagblatt, 9.11.1914 (Abendausgabe), 2.
682 Vom Graf Gleispach Veteranenverein, in: Grazer Mittags-Zeitung, 24.8.1914, 3; Beeidigung, in:
Grazer Mittags-Zeitung, 31.8.1914, 3; Erzherzog Heinrich-Veteranenkorps, in: Grazer Mittags-
Zeitung, 5.9.1914, 3.
683 Ich beziehe mich hier auf: Kögler (2008), 9.
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Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Title
- Graz 1914
- Subtitle
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Author
- Bernhard Thonhofer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln- Weimar
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 510
- Keywords
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453