Page - 380 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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| Alltag und
Einheitsprüfungen380
berger Marktwache sowie die rund 40 Mann starke Bürgerwehr in Waltendorf.689
Beide Bürgerwehren waren bewaffnet sowie mit einer Armbinde ausgestattet (so
trug beispielsweise die Eggenberger Marktwache eine weiß-grüne Binde). Ange-
regt wurde ihre Gründung von den Bürgermeistern dieser Gemeinden. Prinzipiell
suchten die Bürgerwehren die Straßen und umliegenden Wälder nach „Spionen“,
„Serbenfreunden“, „Zigeunern“, entlaufenen Kriegsgefangenen und Zivilinternier-
ten, „Landstreichern“ sowie nach „Bauernfängern“ ab. Die Zeitungen waren voll
von diesen Feindbildern. Im Artikel „Achtung! Strolche auf der Landstraße“ von
Mitte August 1914 hieß es beispielsweise: „Nebst Spionen machen sich auch die
Strolche auf den Landstraßen sehr zahlreich bemerkbar und bedrohen die Bewoh-
ner, da sie wissen, daß vielfach keine Männer zu Hause sind.“690 Ähnlich warnte
man vor den „Zigeunerbanden“691. Aus einem Zeitungsartikel des Jahrs 1917 geht
des Weiteren hervor, dass eine Bürgerwehr am Ruckerlberg auch jene Teile der
Bevölkerung zur Rede stellte, die das Ski- und Rodelverbot missachteten.692 Au-
ßerhalb des Großraums Graz formierten sich Bürgerwehren in Judenburg693, in
den Gemeinden Trofaiach, Hafning, Gai und St. Peter694, in Pettau (Ptuj)695 sowie
in Marburg (Maribor)696. Dort, wo man den einzelnen Berichten der Behörden
zufolge keine Bürgerwehren benötigte und zum Teil auch nicht wollte, gewähr-
leisteten Schützenvereine, die (Freiwillige) Feuerwehr sowie einzelne Landsturm-
abteilungen (meistens Veteranenvereine) die Aufrechterhaltung von „Ruhe und
Ordnung“. In Fohnsdorf existierte beispielsweise ein „besonders“ starker Vetera-
nenverein und in Zeltweg gewährleisteten eine „genügende Anzahl von Sicher-
heitswachen, Feuerwehrleuten“ sowie der Landsturm die „Ordnung“ auf den Stra-
ßen.697 Der Admonter Schützenverein wurde Anfang November sogar vom Militär
689 Einige Artikel hierzu: Eine Marktwache in Eggenberg, in: Grazer Volksblatt, 23.8.1914, 5; Eg-
genberg. (Galizische Flüchtlinge.), in: Grazer Vorortezeitung, 27.9.1914, 1; Waltendorf. (Bürger-
wehr.), in: Grazer Vorortezeitung, 23.8.1914, 1; Die Bürgerwehr der Gemeinde Waltendorf, in:
Grazer Tagblatt, 2.10.1914 (Abendausgabe), 2.
690 Achtung! Strolche auf der Landstraße, in: Sonntagsbote, 16.8.1914, 14.
691 Gegen die Zigeunerplage, in: Grazer Tagblatt, 12.9.1914, 3. Vgl. ebenso die entsprechende Ver-
ordnung: Zigeunerunwesen, Bekämpfung, Erlass der Statthalterei vom 28.8.1914, in: Verord-
nungsblatt der k. k. steiermärkischen Statthalterei (2.9.1914), 309.
692 Rodeln und Skifahren am Ruckerlberg, in: Grazer Mittags-Zeitung, 31.1.1917, 2.
693 BH Judenburg an Statthalterei-Präsidium, [Ende August 1914], in: StLA, Statt. Präs.
E91/2054/1914.
694 BH Leoben an Statthalterei-Präsidium, 1.9.1914, in: StLA, Statt. Präs. E91/2054/1914.
695 Pettau, in: Grazer Tagblatt, 6.10.1914 (2. Morgenausgabe), 6.
696 Die Gründung der Marburger Bürgerwehr, in: Grazer Tagblatt, 12.11.1914 (2.
Morgenausgabe), 3.
697 BH Judenburg an Statthalterei-Präsidium, [Ende August 1914], in: StLA, Statt. Präs.
E91/2054/1914.
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Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Title
- Graz 1914
- Subtitle
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Author
- Bernhard Thonhofer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln- Weimar
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 510
- Keywords
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453