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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Einheitsprüfungen | 443 angesehen“ (wie es mehrfach in den Quellen hieß).66 Außerdem wurde nicht je- der Binnenkonflikt „beidseitig“ geführt (oder einvernehmlich gelöst). Aus diesen Gründen sind die mit dem Prozess der Einheitsbildung korrelierenden Gewaltfor- men nicht ausschließlich auf diesen selbst zurückzuführen. Die Suche nach den Nährböden der damaligen Gewaltformen kann daher durch einen engen Blick auf das Grazer Straßenleben zu Kriegsbeginn nicht hinreichend beantwortet werden. Die Suche müsste breiter angelegt sein, um so mittel- und langfristige Prozesse, wie Demokratisierung und Militarisierung, mit all ihren Facetten und Grenzen besser in den Blickwinkel zu bekommen. Alles zusammen deutet aber darauf hin, dass man sich in Graz – trotz fehlender Invasions- und Deportationsängste – massiv bedroht fühlte (Die Infiltrationsängste sind nicht zu übersehen). Sieht man einmal von den „nicht“ von Personen ausgehenden Bedrohungen und Ängsten (Arbeitslo- sigkeit, Hunger, Überarbeitung, Einsamkeit, Arbeitsunfälle, Krankheiten, Alkohol, Gerüchte) ab, ging man letzten Endes durch die Grazer Stadt, ohne dabei genau zu wissen, wo der oder die Entgegenkommende „kriegspolitisch“ stand. Hier soll nicht der Eindruck erweckt werden, das Grazer „Feldlager“ habe sich in eine gen- rehaft verklärte „Wildweststadt“ ohne „Moral“ und Recht verwandelt. Ich will nur darauf hinweisen, dass nicht jeder Mensch eine Uniform oder eine Sammelbüchse trug und somit weitläufig als „patriotisch“ und daher als „einheitsfähig“ angesehen wurde. Rein demoskopisch betrachtet, trugen die wenigsten Menschen eine Uni- form oder eine Sammelbüchse. Und selbst über die, die eine Uniform oder eine Sammelbüchse trugen, ließ sich nicht mit absoluter Gewissheit sagen, ob sie diese rechtmäßig trugen. Zu viele uniformierte Männer „bettelten“ zu „Unrecht“ mithilfe von erfundenen Kriegsgeschichten. Und zu oft wurden Spendengelder gestohlen. Die Mehrheit der Menschen, ob nun in Zivil oder in Uniform, ging unaufhör- lich der Frage nach, wer oder was zur „Einheit“ gehöre. Das ist ein Frage, die man sich an der Front weitgehend nicht stellen musste, zumal sie auffällige und deswe- gen auch „klare Zugehörigkeiten und Gegenpositionen“ kannte.67 An der „Heimat- front“ gab es dagegen flächendeckend keine markant ins Auge stechenden Signale, die ausweisen konnten, auf welcher Seite man stand.68 Vielmehr war sie von Beginn an von einem „nervenaufreibenden“ und unerträglichen Gewirr aus sicheren und gefährlichen Linien geprägt, die es erst einmal aufzutrennen galt (was nicht be- deutet, dass man dies stets schaffte bzw. schaffen konnte). Aus der (retrospektiven) 66 Einige Arbeitslose wurden z.  B. „scheel angesehen“, ferner auch die „Bosniaken“ und die „Nicht- Grazer“. 67 Hüppauf (1991), 109. 68 Vgl. dazu auch: Hüppauf (1995), 325.
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Title
Graz 1914
Subtitle
Der Volkskrieg auf der Straße
Author
Bernhard Thonhofer
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln- Weimar
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Size
17.4 x 24.5 cm
Pages
510
Keywords
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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