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16 | Einführung
einseitige Sichtweise auf die österreichischen Möbel auszuschließen, wird es daher in
Zukunft notwendig sein, mittels internationaler Forschungsprojekte Gemeinsamkei-
ten bzw. Unterschiede zwischen den Tischlerarbeiten namentlich der mittel-, ost- und
südeuropäischen Länder herauszuarbeiten. Allerdings werden im Hinblick auf öster-
reichische Barockmöbel solche breit angelegten Recherchen erst dann zu überzeugen-
den Forschungsergebnissen führen, wenn wir uns einen allgemeinen Überblick über
den großen Bestand erhaltener österreichischer Einrichtungen verschafft haben und
in der Lage sind, die stilistischen Charakteristika barocker Stücke aus den verschie-
denen Regionen des Landes zumindest in groben Zügen zu erkennen. Diese Grund-
voraussetzung gilt umso mehr, als im Hinblick auf Österreich noch eine weitere Be-
sonderheit hinzukommt : Kunsterzeugnisse waren hier beim Herstellungsprozess einer
weitaus stärkeren Einflussnahme seitens der Auftraggeber und Handwerker ausgesetzt,
als das in vielen anderen europäischen Ländern der Fall war. Anders als in Frankreich
existierte unter den Habsburgern keine zentrale Organisation, die das Kunstgeschehen
entwicklungsgeschichtlich in fest umrissene Bahnen gelenkt und die Entwicklung ei-
nes einheitlichen Stils gefördert hätte. Darüber hinaus gab es auch keinen übermäch-
tigen Adelshof, an dessen Mäzenatentum sich Aristokratie und Klerus hätten orien-
tieren können. In Österreich blieben Fragen der Kunst weitgehend den ästhetischen
Vorlieben der einzelnen Mäzene überlassen. Wie sehr bei uns Adel und Kirchenfürs-
ten mit ihren individuellen Geschmacksvorstellungen das Aussehen von Malereien
und Architekturen prägten, da sie direkt in künstlerische Planungsprozesse eingriffen,
wurde in Publikationen zu Sakralbauten und profanen Bauwerken schon mehrfach
erläutert.2 Kaum bekannt ist dagegen die Tatsache, dass das in gleichem Maße auf
die Möbelproduktion der Zeit zutrifft. Anders als der Abt von Göttweig, der in den
1730er-Jahren Handwerker einstellte, die in Paris geschult worden waren, erwarb der
Konvent von St.
Florian ebenfalls in jener Zeit Sitzmöbelgarnituren in Venedig.3 Und
während sich in der Formensprache des Chorgestühls in der Göttweiger Stiftskirche
bereits 1765 ein erstes Eindringen klassizistischer Tendenzen bemerkbar machte, wur-
den für das Refektorium der Abtei zu Kremsmünster noch um 1780 Möbel in einem
provinziellen spätbarocken Stil gefertigt (Farbtaf.
09 ; Abb.
137, 138, 310, 311).4 Einen
einheitlichen künstlerischen Duktus wird man daher in Österreich vergeblich suchen.
2 Hierzu beispielsweise die im anschließenden Katalog genannte Literatur zu den Stiften Melk und
Dürnstein oder zur ehemaligen Deutschordenskirche in Linz.
3 Zu Göttweig vgl. etwa Ritter, Bauherr (1972), 124, zu St.
Florian s. Czerny, Kunst (1886), 195, Anm.
1 ;
Windisch-Graetz, Möbel (1988), 308.
4 Zum Chorgestühl in Göttweig und der späten Einrichtung des Refektoriums in Kremsmünster vgl. die
entsprechenden Abschnitte im vorliegenden Buch.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume I: Östliche Landsteile
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- I: Östliche Landsteile
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 730
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693