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26 Akteure in Agrarsystemen
rung, vom offenen Einsatz repressiver, kompensatorischer und konditionierender
Machtmittel121 durch Amtsträger innerhalb der „Polykratie“122 des NS-Systems
bis hin zu verborgenen, Geist und Körper durchdringenden Machtdispositiven als
„Infrastrukturen“ von Diskursen.123 Jedes der drei Segmente dieses Feldes besteht
aus zwei Teilen, in denen jeweils eines der beiden anderen Momente als sekundäres
hinzutritt, sodass insgesamt sechs Teilsegmente entstehen (Abbildung 1.5).124 In
diesem Feld theoretischer Positionen markiert der Manövrierraum alltäglichen
Wirtschaftens, dessen Grenzen im Zeitverlauf veränderbar sind, den Bereich der
von Akteuren praktisch besetzten Positionen. Damit vermögen wir nicht nur un-
terschiedliche Spielarten alltäglichen Wirtschaftens in demselben Kräftefeld zuei-
nander in Beziehung zu setzen ; wir erhalten auch einen Maßstab für Vergleiche
zwischen verschiedenen Feldern – und damit für die Synthese der einzelnen Feld-
analysen. Die derart Feld um Feld vermessene nationalsozialistische Agrargesell-
schaft mit Fokus auf den Reichsgau Niederdonau von 1938 bis 1945 wird schließ-
lich mittels synchroner und diachroner Vergleiche in übergreifende Raum- und
Zeitbezüge eingebettet (Kapitel 8).
1.3 Instrumente der Feldvermessung
Der theoretische Entwurf von Agrargesellschaft aus System- und Akteurpers-
pektive leitet im Dreischritt der „historischen Methode“ – Heuristik, Kritik und
Interpretation125 – die empirische Forschung an. Das übergreifende Leitmotiv
lautet, Akteuren auf ihren Wegen in agrargesellschaftlichen Kräftefeldern zu fol-
gen.126 Dabei suche ich in den Kapiteln 2 bis 7 Fragen nach Zusammenhängen
materieller, sozialer und symbolischer Elemente von Agrarsystemen und Land-
wirtschaftsstilen – von Ressourcen, Relationen und Regeln – zunächst für einzelne
Kräftefelder und schließlich für die NS-Ära insgesamt zu beantworten : Erstens,
in welcher Weise hatten agrargesellschaftliche Akteure Zugang zu Grundbesitz,
Arbeitskraft, Betriebskapital, Agrarwissen und Agrargütern und setzten diese
Ressourcen im alltäglichen Wirtschaften ein ? Zweitens, welche Machtbeziehun-
gen knüpften ländliche Akteure untereinander sowie mit Instanzen des politisch-
ökonomischen Systems beim alltäglichen Umgang mit Ressourcen ? Drittens, in
welchem Verhältnis standen alltagsweltliche, staatliche und marktmäßige Regu-
lative des alltäglichen Wirtschaftens formeller und informeller Art ? Zu diesen
Fragen auf der Mikroebene tritt eine Frage auf der Makroebene, die ich im Ka-
pitel 8 zu beantworten suche : Welche Stellung nimmt die nationalsozialistische
Agrargesellschaft als „(Land-)Volksgemeinschaft“ im synchronen und diachro-
nen Systemvergleich ein ?
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Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937