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371Zusammenfassung
extensivierender Abstockung (1C) oder Abwirtschaften und intensivierender Auf-
stockung (3A) oder Aufwirtschaften. Ochsenbauern, Kleinbauern-, Arbeiterbauern-
und Weinhauerfamilien tendierten zum Aufrechterhalten des Arbeitskräftebestan-
des, verbunden mit Extensivierungen oder Intensivierungen (2A, 2B und 2C) ; sie
standen für den Stil des Weitermachens. Freilich lassen sich die Landwirtschaftsstile
der (unter-)bäuerlichen Betriebe nicht auf die Arbeitskräftenutzung reduzieren ;
wie das vorige Kapitel dieses Buches liefern auch die folgenden dazu weitere Merk-
male.
4.6 Zusammenfassung
Das Feld der Landarbeit zeigt eine deutliche Gewichtsverlagerung vom Markt zum
Staat als zentralem Akteur der Ressourcenverteilung ; dies kam auch im amtlichen
Sprachgebrauch – „Arbeitseinsatz“ statt „Arbeitsmarkt“ – zum Ausdruck (Abbil-
dung 4.19). Das Leitmotiv des Apparats der staatlichen Arbeitseinsatzverwaltung,
die das Land mit einem Netz von Arbeitsämtern überzog, bildete die „Menschen-
ökonomie“, der bevölkerungs- und wirtschaftspolitisch optimale Einsatz von ‚Hu-
mankapital‘. Zunächst suchte die Arbeitseinsatzverwaltung die 1938/39 erhebli-
che – wenn auch in der massenmedialen Debatte überschätzte – „Landflucht“ von
Landarbeitskräften mittels Beschränkungen des Arbeitsplatzwechsels einzudäm-
men ; zudem sollten im Zuge der Dienstpflicht und des „Landjahres“ für weibliche
Jugendliche zusätzliche Arbeitskräfte aus dem Inland für die Landwirtschaft mo-
bilisiert werden. Doch als deutsche Staatsbürger/-innen konnten sich die Betrof-
fenen diesen Zwängen vielfach auf formellem oder informellem Weg entziehen ;
daher kann diesbezüglich kaum von „Zwangsarbeit“ gesprochen werden.
Nach Nationalität, Rechtsstatus und Geschlecht abgestufte Zwangsarbeitsver-
hältnisse kennzeichneten hingegen jene ausländischen Staatsangehörigen, die von
Kriegsbeginn 1939 an im Zuge des „Herrschaftskompromisses“ zwischen Kriegs-
wirtschaft und Rassenideologie als Kriegsgefangene, Zivilarbeiter/-innen oder
„ungarische Juden“ zur Landarbeit im Deutschen Reich gebracht wurden. Die
Arbeitsämter verteilten die in den besetzten Gebieten West-, Südost- und Ost-
europas rekrutierten Zwangsarbeiter/-innen vorrangig nach ökonomischen Effi-
zienz-, aber auch nach außerökonomischen Kriterien. Die Zwangsarbeiter/-innen
fielen zunächst sowohl aus den informellen Patron-Klient-Beziehungen
– die etwa
die Taglohn- und Gesindearbeit von Ortsansässigen kennzeichneten – als auch
aus den formellen Arbeitsvertragsbeziehungen – die etwa für in- und ausländi-
sche Saisonarbeiter/-innen galten – heraus. Nach der oft als traumatisch erlebten
Rekrutierung und Zuweisung an die Dienstgeber/-innen fächerten sich im Lauf
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Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937