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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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156 „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe Wirkung verlieh, war ihre eigentümliche Rationaliät  – jener Sinn, der aus einer Vor–1945er-Perspektive daran anknüpfenden Praktiken eine Rechtfertigung ver- lieh : „Die Metaphern, die Darré übernahm, verwandelten sich in seinen Händen. Sie erhielten durch das Expertenwissen die Assoziation der Machbarkeit [Hervorhe- bung im Original].“27 Die Akribie, mit der die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft der Wiener Deutschen Studentenschaft 1938 Grundbücher auswerteten, Bevölke- rungspyramiden errechneten und Landkarten zeichneten, vermittelt einen vagen Eindruck vom sinnstiftenden Potenzial der „Blut und Boden“-Metapher. Die ak- ribische Aufarbeitung des „gesamten Grenzraum[es] von Kärnten bis Oberdonau“ sollte „der praktischen Grenzlandpolitik die notwendigen Grundlagen liefer[n]“.28 Freilich, die Rationalität der „Blut und Boden“-Ideologie ernst zu nehmen, sollte nicht dazu verleiten, darin die wichtigste oder gar einzige Triebkraft des Umgangs mit Grundbesitz im „Dritten Reich“ zu sehen ; der nationalsozialistische Agraris- mus war eingebettet in ein Spannungsfeld mit-, neben- und gegeneinander wirken- der Kräfte, dessen Akteure ihn verstärkten oder abschwächten, ihn aufrechterhielten oder anpassten, ihn zum Leitmotiv erhoben oder anderen Zwecken unterordneten. Neben dem studentischen Grenzlandeinsatz bedurfte es weiterer, mächtige- rer Dispositive, damit der nationalsozialistische Diskurs von „Blut und Boden“ im Denken und Handeln von Akteuren in mehr oder weniger vermittelter Weise wirksam werden konnte. Bevor in Fallstudien alltägliche Momente erkundet wer- den, geht es zunächst um die offizielle Ordnung des Grundbesitzes im „Dritten Reich“. Die historische Forschung zur nationalsozialistischen Bodenpolitik hat sich entweder  – in der Mehrzahl  – auf die Erbhofpolitik und andere Aspekte der inklusiven Seite,29 oder  – in der Minderzahl  – auf die exklusive Seite, etwa die „Arisierungen“ von jüdischem Grundbesitz, konzentriert.30 Studien, die reziproke, redistributive und marktförmige Landtransfers im Zusammenhang betrachten,31 fehlen für die NS-Ära völlig. Allein die Forschungen zur ländlichen Raumpla- nung im Deutschen Reich und in den eroberten Gebieten in Osteuropa haben auf den Konnex von ‚Entwurzelung‘ und ‚Verwurzelung‘ im Zuge projektierter, zum Teil auch umgesetzter Bevölkerungsverschiebungen hingewiesen.32 Vor diesem Forschungshintergrund liegt es nahe, dem Doppelgesicht der Bodenordnung mehr Aufmerksamkeit als bisher zu widmen. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung Unverzüglich nach dem „Anschluss“ im März 1938 wurden die Regelwerke der nationalsozialistischen Bodenpolitik, die im „Altreich“ über die Jahre Zug um Zug gewachsen waren, im „Lande Österreich“ binnen weniger Monate  – quasi im Zeit-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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