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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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494 Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 5.6 Zusammenfassung Wie in den Feldern des Grundbesitzes und der Landarbeit lag auch im Feld der Sachkapitals ein starker Akzent auf dem Staatsapparat, der direkt oder indirekt die Märkte des Geld- und Sachkapitals zu lenken suchte und somit die Manö- vrierräume der Akteure umformte (Abbildung 5.26). „Bauerntum“ und Technik bildeten im Expertendiskurs keinen Widerspruch ; vielmehr wurde das Mechani- sche im reaktionär-modernen Sinn als in den „Hoforganismus“ eingebettet ima- giniert  – dies umso mehr, als die (Land- oder Arbeits-)Produktivität zunehmend als Messlatte bäuerlicher Leistung in der ‚nachholenden Modernisierung‘ der ost- märkischen Landwirtschaft diente. Preissenkungen auf dem Handelsdünger- und Landmaschinenmarkt sowie staatliche Förderungen einerseits, die Verteuerung der Landarbeiterlöhne andererseits förderten den Einsatz land- und arbeitssparenden Betriebskapitals, der sich von der agrartechnischen Stagnation der 1930er Jahre als Technisierungswelle abhob. Neben der allgemeinen Technikförderung durch Reichsnährstand und die Behörde des Reichsstatthalters war der NS-Agrarapparat auch mit konjunkturellen und strukturellen Sonderproblemen der Ostmark kon- frontiert : Das in der Agrarkrise der 1930er Jahre verschärfte Problem der äußeren und inneren Verschuldung und das damit verbundene Berg- und Kleinbauernpro- blem sollten durch die Entschuldungs- und Aufbauaktion gelöst werden. Zur Lö- sung des fundamentalen Bergbauernproblems sollte der „Gemeinschaftsaufbau im Bergland“ als ‚kleiner Schritt‘ den ‚großen Sprung‘ der „Dorfaufrüstung“ nach dem Krieg vorbereiten. Die vom politisch-ökonomischen System forcierte Technisierung stand mit den alltäglichen Strategien der (unter-)bäuerlichen Betriebe und Haushalte in ambi- valenten Beziehungen : Einerseits begünstigten multifunktionale Personennetz- werke mancherorts die Entscheidung der Betriebsinhaber/-innen, einen Antrag auf Teilnahme an der Entschuldungs- und Aufbauaktion einzubringen  – und da- rüber zum Klienten des nationalsozialistischen Staates zu werden. Andererseits bildete der auf wirtschaftliche und politische Autonomie pochende Paternalis- mus  – der sprichwörtliche „Bauernstolz“  – ein Hindernis, das Pressekampagnen zu überwinden suchten. Ambivalent waren nicht nur die Bedingungen, sondern auch die Folgen der Entschuldungs- und Aufbauaktion : Zwar wurden die über- schuldeten Betriebsinhaber/-innen vor drohenden Zwangsversteigerungen be- wahrt ; doch im Zuge von „Entschuldung“ als Umschuldung und „Aufbau“ als Neuverschuldung erlangte der Staat die Machtposition eines ‚Über-Gläubigers‘ mit weitgehenden Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten in den ‚gläsernen Hof ‘. Die selektive Ausrichtung der nationalsozialistischen Agrartechnisierung äußerte sich an ernährungswirtschaftlich-leistungsbezogenen wie bevölkerungspolitisch-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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