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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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277Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“81 Die Entscheidungsträger in den Führungsetagen des NS-Regimes sahen am Vor- abend des Krieges die Lösung des Arbeitskräftemangels auf dem Land vor allem in der „Ausstattung mit nationalen Kräften“82 ; die Beschäftigung ausländischer, meist saisonaler Arbeitskräfte galt den meisten von ihnen als vorübergehende Notlösung. Noch zur Jahresmitte 1939 bestand in Niederdonau die Hoffnung, „daß vermehr- ter Einsatz von Landdienst, Erntedienst und Reichsarbeitsdienst sowie der Gliede- rungen der Partei und Wehrmacht einen wesentlich erhöhten Bedarf ausländischer Wanderarbeiter in der Folge vermeiden lässt [Hervorhebungen im Original]“.83 Gegen den Masseneinsatz ausländischer Arbeitskräfte wurden von offizieller Seite sowohl wirtschafts- als auch rassenpolitische Motive ins Treffen geführt : „Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte kann aber schon aus Gründen der Hintan- haltung einer fremdvölkischen Unterwanderung nur in der Zeit des Spitzenbedarfes an Arbeitskräften in Frage kommen, denn devisenmäßig gesehen, bedeutet die Einfuhr von Arbeitskräften eine ebenso starke Belastung wie die Einfuhr von Nahrungsmit- teln [Hervorhebungen im Original].“84 Doch die im September 1939 entfesselte Serie von „Blitzkriegen“, die 1941/42 in einen zähen Abnützungskrieg mündete, übte einen Katalysatoreffekt auf den „Aus- ländereinsatz“ aus. Die massenhafte und, im Vergleich zu anderen Wirtschafts- zweigen, überproportionale Rekrutierung von Landarbeitern und Betriebsinhabern deutscher Staatsbürgerschaft zur Wehrmacht und anderen Organisationen85 so- wie die Verfügbarkeit wachsender Kontingente an Kriegsgefangenen und zivilen Arbeitskräften aus den besetzten Gebieten West-, Süd-, Südost- und Osteuropas rückte die Ausländerbeschäftigung in ein neues Licht. Die pragmatische Notlösung der Vorkriegszeit wurde  – jenseits ideologischer Bedenken gegen eine „fremdvöl- kische Unterwanderung“ des Reichsgebiets  – für die Dauer des Krieges in großem Maßstab verlängert. Der „Reichseinsatz“ ausländischer Arbeiter/-innen erschien gegenüber dem verschärften „Arbeitseinsatz“ des inländischen Kräftepotenzials, vor allem der auf Mutter- und Hausfrauenrolle festgeschriebenen „deutschen Frau“, als das geringere Übel.86 Die Vorschriften der Vierjahresplanbehörde zur Sicherung der landwirtschaftlichen Erzeugung vom November 1939 etablierten das Regel- werk für den „Reichseinsatz“ polnischer Arbeitskräfte und, in weiterer Folge, von Angehörigen anderer Nationen in der deutschen Landwirtschaft.87 Sie lockerten die Trennung der Kompetenzbereiche der mit dem „Arbeitseinsatz“ befassten Be- hörden und forderten die enge Zusammenarbeit von Arbeitseinsatzverwaltung, all- gemeiner Verwaltung, Wehrmacht, Reichsnährstand und Parteidienststellen.
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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