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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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4. „MENSCHENÖKONOMIE“ UNTER ZWANG Manövrieren im Feld der Landarbeit 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“1 „Menschenökonomie“  – der Begriff bezeichnet die weitreichende und tiefgreifende Politisierung und Ökonomisierung des menschlichen Lebens, die mittlerweile zu den Binsenweisheiten wissenschaftlicher Diagnosen der Moderne zählt. Der Sozio- loge und Philosoph Rudolf Goldscheid definierte 1911 „Menschenökonomie“ als „Lehre vom organischen Kapital, von jenem Teil des Besitzes also, den die Bevölke- rung selbst darstellt“.2 Zweck der „Menschenökonomie“ sei der möglichst optimale Einsatz des „organischen Kapitals“ einzelner Personen wie der gesamten Gesell- schaft ; daher müsse die Produktion und Reproduktion menschlicher Arbeitskraft einer Kosten-Nutzen-Rechnung unterzogen werden.3 Der Begriff erfuhr in den folgenden Jahrzehnten widersprüchliche Deutungen : Goldscheid und seine Anhän- ger betonten den positiven Aspekt der „Menschenökonomie“, den Aufbau „organi- schen Kapitals“ durch die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen. Im Hauptstrang des wirtschafts- und sozialpolitischen Diskurses in Österreich und Deutschland in den 1920er und 1930er Jahren trat hingegen zuneh- mend der negative Aspekt, die „Auslese“ der als „minderwertig“ definierten Teile des „Volkskörpers“, hervor.4 Soziologismus, die Vorstellung vom Primat der gesellschaft- lichen Umwelt, und Biologismus, die Vorstellung vom Primat der genetischen Anla- gen, markieren die beiden Pole des Bedeutungsspektrums der „Menschenökonomie“. Der schillernde Begriff der „Menschenökonomie“ hatte auch im nationalso- zialistischen Diskurs um den „Arbeitseinsatz“ seinen Platz. „Arbeitseinsatz“ be- zeichnete die Abkehr von der als „liberalistisch“ gebrandmarkten Vorstellung eines Arbeitsmarktes, auf dem Arbeitskraft wie eine Ware angeboten und nachgefragt werde.5 Die vom Reichsarbeitsministerium herausgegebene Zeitschrift Soziales Deutschland veröffentlichte im August 1944 eine zeitgemäße Definition von „Men- schenökonomie“ : „Menschenökonomie, in einem etwas veränderten Sinn, gehört heute zum täglichen Brot aller wirtschaftlichen und sozialen Überlegungen. Es ist die durch den Krieg ver- stärkte, aber lange vor dem Kriege angebahnte Erkenntnis von der Unentbehrlichkeit und der Rarität selbst der einfacheren Arbeitskräfte.“6 Diese Erkenntnis, so der Verfasser des Artikels, leite nicht nur das Denken und Handeln in der Arbeitseinsatzverwaltung, sondern auch der Arbeitenden selbst  –
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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