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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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620 Ordnung und Chaos des Marktes hörden jedoch nicht nur geduldet, sondern auch gerechtfertigt wurde, verweist auf den zugleich systemgefährdenden und -sichernden Effekt dieser Herrschaftspraxis. So dienten die dörflichen Ver- und Aushandlungen dazu, das durch Marktordnung und Bewirtschaftung verschärfte Chaos  – die für die „Erzeugungsschlacht“ be- drohliche Knappheit an bäuerlichen Produktions- und Reproduktionsmitteln  – bis zu einem gewissen Grad wieder in eine Ordnung zu bringen.152 Verstöße gegen die Kriegswirtschaftsbestimmungen allein unter der Rubrik „Resistenz“ einzureihen, verfehlt das Wechselspiel von inoffizieller, (agrar-)gesellschaftlicher und offizieller, staatlicher Marktregulation. Folglich sollte das „Resistenz“-Modell entsprechend der hier nur knapp skizzierten Gegenargumente erweitert153 oder durch ein we- niger einengendes Modell, das etwa „Herrschaft als soziale Praxis“ in den Mittel- punkt rückt, ersetzt werden.154 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? Die ländliche Schattenwirtschaft kam im Wochenblatt und in den übrigen „gleich- geschalteten“ Massenmedien kaum vor ; sie lag jenseits dessen, was die veröffent- lichte Meinung in der Öffentlichkeit zur Debatte stellen wollte. Anders verhielt es sich mit der „Erzeugungsschlacht“, deren vermeintliche oder tatsächliche Erfolge in der Öffentlichkeit, etwa auf der Wiener Frühjahrsmesse 1940, in propagandis- tischer Absicht stolz zur Schau gestellt wurden.155 In der Geschichtsschreibung gehen die Ansichten über Erfolg oder Misserfolg der seit 1934 jährlich ausgerufe- nen „Erzeugungsschlachten“ auseinander. Manche Historiker/-innen anerkennen die Zuwächse des Selbstversorgungsgrades einiger Nahrungsmittel im Deutschen Reich ;156 andere urteilen im Hinblick auf den „Zielkonflikt“ zwischen der ange- strebten Produktionssteigerung und produktionshemmenden Regelungen zwie- spältiger ;157 wieder andere stellen der nationalsozialistischen Produktionskam- pagne angesichts der anhaltenden Importabhängigkeit ein durchwegs schlechtes Zeugnis aus.158 Diese Meinungsvielfalt ergibt sich einerseits aus unterschiedlichen Erfolgsmaßstäben  – Produktionsmenge, Land-, Arbeits- oder Kapitalproduktivität oder Selbstversorgungsgrad –, andererseits aus unterschiedlichen Betrachtungszeit- räumen. Der Berechnung der Boden-, Arbeits- und Kapitaleinsatz umfassenden Gesamtfaktorproduktivität der deutschen Landwirtschaft zufolge fiel das jährli- che Produktivitätswachstum zwischen NS-Machtergreifung und Kriegsbeginn mit 2,14 Prozent deutlich niedriger aus als in der Weimarer Republik (3,67 bzw. 4,87 Prozent) und der frühen Bundesrepublik (4,33 Prozent)  – ein Beleg für die verlangsamte Agrarmodernisierung im „Dritten Reich“ : „Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der längerfristige Vergleich der landwirtschaftlichen Entwick-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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