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642 Ordnung und Chaos des Marktes
vergleich erhebliche Unterschiede ; die Gesamttendenzen fanden in den Regionen
zwar teils eine Fortsetzung, aber teils eine Richtungsänderung. Um die militaristi-
sche Metaphorik nochmals zu bemühen : Die „Kriegserzeugungsschlacht“ endete
in Niederdonau nicht mit einer kompletten Niederlage an allen Fronten, sondern
–
nach teilweisen Erfolgen und Misserfolgen an verschiedenen Frontabschnitten –
mit einer Art Waffenstillstand.
7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort
Die regionale Vielfalt der Produktions- und Produktivitätsentwicklung setzte sich
auch auf der lokalen und betrieblichen Ebene fort, wie die zehn (unter-)bäuerli-
chen Beispielbetriebe 1941 bis 1944 zeigen (Tabelle 7.9, Anhang) : In zwei Fäl-
len schrumpfte die Ackerfläche erheblich ; in fünf Fällen blieb sie nahezu gleich ;
in drei Fällen nahm sie merklich zu. Auch die Entwicklung der Nutzungsanteile
bot ein vielfältiges Bild : Manche Betriebe, etwa der Weinhauerfamilien-Betrieb,
verstärkten den Anbau von Futtergetreide, -rüben und -pflanzen ; andere, wie der
Arbeiterbauernfamilien-Betrieb, erweiterten den Brotgetreideanbau ; manche, etwa
der Maschinenmänner-Betrieb, stiegen in die Handelsgewächserzeugung ein ; an-
dere, wie der Zuckerrübenbauern-Betrieb, tendierten zum Kartoffelanbau. Diese
verwirrende Vielfalt lässt zumindest eines erkennen : Die Ackernutzung war für
die (unter-)bäuerlichen Betriebe keine fixe, sondern eine variable Größe.
Etwas mehr Übersicht verspricht der Vergleich der Ackernutzung nach Ag-
rarsystemen, Regionen und Jahren – freilich mit Einschränkungen : Werden alle
(unter-)bäuerlichen Betriebe in Betracht gezogen, kann die Ackerfläche nur grob
nach den Hauptfruchtarten aufgegliedert werden (Tabelle 7.10) ; wird die Acker-
fläche fein aufgegliedert, fallen die lediglich durch Kleinbetriebslisten dokumen-
tierten Höfe
– damit auch die Arbeiter- und Weinhauerfamilien
– weg (Abbildung
7.25). Wie auch immer, in beiden Darstellungen tritt eine Gesamttendenz klar
hervor : die Abnahme der Getreide- zugunsten der Feldfutterflächenanteile
– ver-
stärkt 1943, etwas abgeschwächt 1942 und 1944 – bei abnehmender Gesamt-
Ackerfläche. Diese Akzentverlagerung hin zur hofeigenen Viehfuttererzeugung
verweist auf den sich verschärfenden Mangel an Handelsfuttermitteln.178 Ge-
messen an der feineren Aufgliederung, entwickelte sich die Ackernutzung im
Einzelnen in folgender Weise : Ackerbäuerinnen und Mischwirtschafter vollzogen
1943 einen stark bzw. schwächer ausgeprägten Schwenk vom Getreide- zum
Futterpflanzenbau. Auch Gewerbebauern, Kleinbauernfamilien und Ochsenbauern
zeigten 1943 dieselbe Nutzungsänderung, die Erstere 1944 fortsetzten und die
beiden Letzteren bereits 1942 begonnen hatten. Die Maschinenmänner folgten
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Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937