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Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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2. ANATOMIE EINES „LEBENDEN ORGANISMUS“ Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ „Der Bauernhof ist ein lebender Organismus,“ so Herbert Backe, Staatssekre- tär im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft, im Vorwort eines Ratgebers zum Wirtschaftsaufbau bäuerlicher Betriebe : „Jede Veränderung eines Betriebszweiges, jede Verbesserung der Fruchtfolge oder der Viehfütterung, jede Beschleunigung der Ackerarbeit und jede Erleichterung der Hofarbeit hat die weitreichendsten Wirkungen auf den Gesamtbetrieb.“ Daher komme es darauf an, „alle Verbesserungsmaßnahmen von ihrer Wirkung auf den ganzen Hof aus“ zu betrachten, „alle Anstrengungen nur dem Zwecke der Leistungssteigerung des ganzen [Hervorhebung im Original] Betriebes“ zu widmen.1 Den Hof als ganz- heitlichen Organismus zu denken, war 1939, als diese Schrift erschien, keine Aus- nahme ; vielmehr entsprach dies den Regeln des agronomischen Diskurses in den deutschsprachigen Ländern in der Zwischenkriegszeit.2 Die Krise des zunehmend mit vor- und nachgelagerten Märkten verflochtenen Agrarsektors im ausgehenden 19. Jahrhundert hatte die Grenzen der von Albrecht Daniel Thaer und Johann Heinrich von Thünen maßgeblich geprägten Lehre vom Landwirtschaftsbetrieb offenbart. Von statischen Vergleichen von Bodennutzungs- und Viehhaltungssys- temen verlagerte sich die agronomische Aufmerksamkeit in der sich formierenden „agrarischen“3 bzw. „agrarisch-industriellen“4 Wissensgesellschaft auf die innere und äußere Dynamik landwirtschaftlicher Betriebssysteme.5 Paradoxerweise steigerte der agronomische Diskurs seine Komplexität mithilfe einer vereinfachenden, aus der Biologie entlehnten Metapher : des Organismus. Friedrich Aeroboe und Theodor Brinkmann begründeten Ende der 1910er, Anfang der 1920er Jahre, in Anknüpfung an entsprechende Vorarbeiten anderer Agraröko- nomen, die Organismustheorie des landwirtschaftlichen Betriebes, das bestim- mende Modell der deutschsprachigen Agrarökonomie bis Mitte des 20. Jahrhun- derts. Der Landwirtschaftsbetrieb erschien als „untrennbares, organisches Ganzes“, das sich  – wie ein menschlicher, tierischer oder pflanzlicher Organismus  – unter dem Einfluss „äußerer und innerer Lebensbedingungen“ entwickle.6 Als Triebkraft des „Hoforganismus“ wirke die synergetische Koppelung von Ackerbau und Vieh- zucht  – genauer, von Futterbau und Wirtschaftsdüngereinsatz  –, deren harmoni- sches Zusammenspiel einen Zugewinn an Produktivität verspreche. Von außen her bestimme die „volkswirtschaftliche Entwicklung“ das zeitliche Nacheinander der Betriebssysteme ; im Inneren sei deren räumliches Nebeneinander von zwei gegen-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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