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Einschränkung seiner künstlerischen Freiheit verbunden war. Nicht durch Anpas-
sung, sondern durch konsequentes Verfolgen des eigenen Wegs – auch das ein klas-
sisches Künstlernarrativ – gelang der ersehnte Erfolg:
„Zum erstenmal in meinem Leben verdiente ich Geld, Cassirer verstand den kommerzi-
ellen Wert meiner Bilder. Sie stiegen wie Aktien der Börse. [...] Eine neue Einstellung der
Gesellschaft hat es mit sich gebracht, daß in meinen Bildern eine Abkehr vom Impressi-
onismus gesehen wurde. Mir war dies nicht bewußt, ich habe es auch nicht mit Absicht
erreichen wollen, sondern einfach gemalt, wie ich malen mußte.“128
Dem Kapitel „Berlin“ folgt als fünfter Teil der Autobiographie das Kapitel „Wieder in
Wien“. Dieses umfasst den Zeitraum von der Rückkehr aus Berlin 1911 bis zum Aus-
bruch des Ersten Weltkriegs 1914. Das Hauptereignis dieser Lebensphase war zwei-
fellos die komplizierte Liebesbeziehung zu Alma Mahler. Verglichen mit der auto/
biographischen Bedeutung, dem Niederschlag an auto/biographischen Quellen und
der intensiven Rezeptionsgeschichte dieser Liebesbeziehung,129 nimmt das „Alma-
Kapitel“ in der Autobiographie verhältnismäßig wenig Raum ein.130 Kokoschka
lernte die Witwe Gustav Mahlers über deren Stiefvater Carl Moll kennen. Die erste
Begegnung schilderte er wie folgt:
„Nach dem Essen nahm sie mich mit ins Nebenzimmer zum Klavier und spielte und sang
nur für mich, wie sie sagte, mit großem Ausdruck Isoldes Liebestod. Ich war fasziniert
von ihrer Erscheinung, jung, in Trauer ergreifend, weil sie schön und so einsam war. Als
sie mir den Vorschlag machte, sie nun in ihrer Wohnung zu malen, war ich beglückt und
128 Kokoschka, Mein Leben, 111.
129 Die Beziehung gehört zu den prominentesten in der österreichischen Geistes- und Kulturge-
schichte des 20. Jahrhunderts und wurde in vielfacher Weise wissenschaftlich wie künstlerisch re-
zipiert. Vgl. zum Beispiel die vor allem auf der Korrespondenz basierende Darstellung von Alfred
Weidinger, Kokoschka und Alma Mahler, München 1996. Als Romanbiographie verarbeitet findet
sich der Stoff bei Hilde Berger, Ob es Hass ist, solche Liebe? Oskar Kokoschka und Alma Mahler,
Wien, Köln, Weimar 2008 oder zuletzt bei Julya Rabinowich, Krötenliebe, München 2016.
130 Generell versuchte Kokoschka in der auto/biographischen Darstellung, der Beziehung zu Alma
Mahler nicht allzu viel Raum zu geben, keinesfalls wollte er lediglich als Teil ihrer Biographie wahr-
genommen werden. So teilte er z.B. seiner Biographin Edith Hoffmann mit: „Die Aufzählung mei-
ner Nachfolger im Bett der Frau XY ist für meine Biographie unwesentlich, mein Leben darf nicht
benützt werden um Modeerscheinungen Reclame zu machen. Besonders der Herr Werfel ist mir
eine ebenso peinliche Erscheinung wie er’s für Karl Kraus war. Über Geschmack lässt sich nicht
streiten. Die Frau XY hat neben ihrem Geschmack eben auch noch ein gutes Rechentalent.“ ZBZ,
NL O. Kokoschka, Karton 632, Fasz. 632.1.2., fol. 23.
Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
Zeitwesen
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Title
- Zeitwesen
- Subtitle
- Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Author
- Birgit Kirchmayr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23310-7
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 468
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Einleitung 11
- Fragestellung und Ausgangsthesen 11
- Theoretische Bezugsrahmen 14
- Quellen 17
- „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
- 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
- 2 KünstlerInnen über sich 79
- 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
- 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
- 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
- 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
- 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
- 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
- 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
- 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
- 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
- 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
- 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
- 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
- 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
- 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
- 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
- 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
- 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
- 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
- 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
- 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
- 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
- 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
- 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
- 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
- 4.4 Nationalsozialismus 382
- 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
- 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
- 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
- 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
- 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
- Dank 426
- Abkürzungsverzeichnis 428
- Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
- Quellen- und Literaturverzeichnis 431
- Archive und Sammlungen 431
- Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
- Literatur und gedruckte Quellen 432
- Personenregister 463