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2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente | 153
Kunsthändler und Galeristen Michael Pabst erwirken.235 In Ausstellungen und Pub-
likationen wurde Leben und Werk der Künstlerin Klien in den folgenden Jahren und
Jahrzehnten einer interessierten Öffentlichkeit bekannt gemacht.236
An biographischen Dokumenten beinhaltete der damals erworbene Nachlass
vor allem den Briefwechsel Kliens mit ihrer Mutter. Überliefert, also im genannten
Nachlass erhalten, sind weiterhin einige wenige undatierte autobiographische Frag-
mente, die aus den letzten Lebensjahren in den 1950ern stammen. Darin finden sich
Überlegungen Kliens zu ihrer Existenz als Künstlerin und Frau, für die viele Le-
bensträume unerfüllt blieben. Ob Klien Tagebuch geschrieben hat und diese Texte
Fragmente daraus sind, muss offenbleiben. Generell lässt sich schwer feststellen,
wie und von wem die Zusammenstellung des Nachlasses in der Form, wie er sich
beim Verkauf darstellte, beeinflusst worden ist. Verschiedene Markierungen an den
erhaltenen Dokumenten zeigen, dass Kliens Schwester eine Art Ordnung in dem
Nachlass vorgeformt und auch Anstreichungen und Anmerkungen in den Briefen
vorgenommen hat. Auffällig ist auch, dass manche Korrespondenzen fehlen, wie
zum Beispiel jene zwischen den Schwestern, die es sicherlich gegeben hat. Auch in
der überlieferten Korrespondenz Kliens mit ihrer Mutter sind nur die Briefe Kliens
erhalten, nicht jene der Mutter, was möglicherweise darauf zurückgeführt werden
kann, dass für den Nachlassverkauf nur die originalen Klien-Dokumente (im Sinne
von Autographen) als relevant erachtet wurden.
Mangels anderer biographischer Quellen stützt sich die bisherige Künstlerinnen-
forschung zu Erika Giovanna Klien vor allem auf diesen Briefbestand, aber auch
auf andere Korrespondenzen der Künstlerin, die sich an anderen Orten erhalten
haben.237 Die Überlieferung dieses Nachlasses war somit gewissermaßen ein Glücks-
fall, dennoch muss festgestellt werden, dass die Fragmenthaftigkeit und Lückenhaf-
235 Vgl. Bernhard Leitner, Zur Rezeptionsgeschichte, in: Bernhard Leitner (Hg.), Erika Giovanna
Klien. Wien New York 1900–1957, Ostfildern-Ruit 2001.
236 Besonders hervorzuheben ist dabei die Forschungsarbeit von Marietta Mautner Markhof, die zum
bestehenden Nachlass auch noch zahlreiche Dokumente und Informationen bei ehemaligen Weg-
gefährtInnen finden konnte. Vgl. Marietta Mautner Markhof, Erika Giovanna Klien 1900–1957,
Wien 1987. Vgl. weiters Monika Platzer/Ursula Storch (Hg.), Kinetismus. Wien entdeckt die
Avantgarde, Ostfildern 2006, darin besonders: Ulrike Matzer, Die drei Stars der Klasse: Klien-Ull-
mann-Karlinsky, 60–68; Gerald Bast/Agnes Husslein-Arco/Werner Krejczi/Patrick Werkner (Hg.),
Wiener Kinetismus. Eine bewegte Moderne, Wien 2011.
237 Für eine Übersicht dazu und generell zur Bedeutung der Briefe in der biographischen Konstruk-
tion der Künstlerin vgl. auch Birgit Kirchmayr, ‚Entwurzelt in diesem steinernen Meer von Wol-
kenkratzern‘. Die österreichische Künstlerin Erika Giovanna Klien und ihre Briefe aus Amerika in
den 1920er und 1930er Jahren als auto/biographische Quelle, in: L’Homme. Europäische Zeitschrift
für Feministische Geschichtswissenschaft 26 (2015) 2, 85–101.
Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
Zeitwesen
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Title
- Zeitwesen
- Subtitle
- Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Author
- Birgit Kirchmayr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23310-7
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 468
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Einleitung 11
- Fragestellung und Ausgangsthesen 11
- Theoretische Bezugsrahmen 14
- Quellen 17
- „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
- 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
- 2 KünstlerInnen über sich 79
- 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
- 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
- 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
- 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
- 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
- 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
- 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
- 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
- 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
- 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
- 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
- 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
- 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
- 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
- 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
- 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
- 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
- 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
- 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
- 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
- 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
- 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
- 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
- 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
- 4.4 Nationalsozialismus 382
- 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
- 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
- 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
- 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
- 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
- Dank 426
- Abkürzungsverzeichnis 428
- Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
- Quellen- und Literaturverzeichnis 431
- Archive und Sammlungen 431
- Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
- Literatur und gedruckte Quellen 432
- Personenregister 463