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Kunst und Kultur
Zeitwesen - Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
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| 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse274 gionsgemeinschaften mit dem Geist der Aufklärung im Bereich der Geistes- und Kulturgeschichte an Legitimität und Attraktivität verloren, begab man sich im 18. und 19.  Jahrhundert auf die Suche nach neuen spirituellen Quellen, wobei die fern- östlichen, asiatischen Religionen in das Blickfeld der europäischen Intellektuellen rückten. Bewegungen wie die Ende des 19.  Jahrhunderts entwickelte Theosophie führten alte und neue, westliche und östliche religiöse Lehren und traditionellen „Aberglauben“ zusammen. Gerade um die Wende vom 19. zum 20.  Jahrhundert war das Angebot an Heilslehren besonders groß, entsprechend der These, dass in Zeiten rascher gesellschaftlicher und politischer Umbrüche das Bedürfnis nach spiritueller Sinnsuche besonders hoch ist. In einem 1922 herausgegebenen Werk, das sich der Geschichte der okkulten For- schung widmete, teilte der Autor Charles Richet die Entwicklung derselben in ver- schiedene Phasen: Nach einer „mythischen Periode“ folgte seiner Einteilung gemäß eine „magnetische Periode“, die 1778 durch die Tätigkeit Franz Mesmers in Paris eingeleitet worden war.292 1847 markierte für Richet schließlich den Beginn der „spi- ritistischen Periode“,293 die in den 1870er-Jahren laut Autor in eine „wissenschaftli- che Periode“ übergehen sollte, von der man sich nun durch naturwissenschaftliche Experimente Klärung und Loslösung von abergläubisch-okkulten Ideen erhoffte.294 Diese Darstellung verweist auf die nicht immer gegebene Grenze zwischen einer naturwissenschaftlichen und okkultistischen Annäherung an bislang unerklärbare Phänomene. Unsichtbare „Strahlen und Strömungen“295 standen in deren Zentrum. Entdeckungen wie die Röntgenstrahlung, die Nutzung von Elektromagnetismus für telegraphische Übertragung oder die Erforschung der Radioaktivität beflügelten um 1900 die Wissenschaft, aber auch die okkulten Theorien. Die naturwissenschaftli- 292 Franz Mesmer (1734–1815) entwickelte als Arzt Therapiemethoden, die auf der Grundannahme eines den Menschen umgebenden magnetischen „Fluidums“ basierten. Die von ihm begründete Heilmethode wurde als „Mesmerismus“ bekannt und gab der weiteren Entwicklung okkulter Prak- tiken, vor allem auch im Bereich der Hypnose, wesentliche Impulse. Vgl. u.a. Horst  E. Miers, Lexi- kon des Geheimwissens, München 1993, 419  f. 293 1847 sollen im Haus des amerikanischen Methodistenpredigers John  D. Fox Klopfgeräusche wahr- genommen worden sein, die als Botschaften von Verstorbenen interpretiert wurden. Es folgten öffentliche Vorführungen und ein regelrechter Boom spiritistischer Praktiken („Tischrücken“) in den USA und in Europa. Spiritismus ist somit nicht mit Okkultismus gleichzusetzen, sondern nur ein Teilbereich, der speziell mit der Kontaktaufnahme mit Verstorbenen verbunden ist. Vgl. Pytlik, Okkultismus und Moderne, 37  ff; Miers, Lexikon des Geheimwissens, 583  ff. 294 Die Einteilung stammt aus Charles Richets „Traité de métapsychique“ (1922), vgl. Eberhard Bauer, Spiritismus und Okkultismus, in: Kunsthalle Schirn/Loers (Hg.), Okkultismus und Avantgarde, 60–80. 295 Christoph Asendorf, Ströme und Strahlen. Das langsame Verschwinden der Materie um 1900, Gie- ßen 1989. Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
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Zeitwesen Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Title
Zeitwesen
Subtitle
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Author
Birgit Kirchmayr
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2020
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23310-7
Size
17.3 x 24.5 cm
Pages
468
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. Einleitung 11
  2. Fragestellung und Ausgangsthesen 11
  3. Theoretische Bezugsrahmen 14
  4. Quellen 17
  5. „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
  6. 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
    1. 1.1 Auto/Biographieforschung 33
      1. 1.1.1 Lebenslauf, Biographie, Autobiographie oder Auto/Biographie? 34
      2. 1.1.2 Auto/Biographie und Geschichtswissenschaft 39
      3. 1.1.3 Auto/Biographie und Geschlecht 47
    2. 1.2 Künstlerauto/biographie 51
      1. 1.2.1 Von Vasaris Viten bis „Inventing Leonardo“: Zur Geschichte der Künstlerbiographik 51
      2. 1.2.2 „Biographische Formeln“: Die „Legende vom Künstler“ 54
      3. 1.2.3 Geniekonzept und Autobiographical Life 59
    3. 1.3 Auto/Biographische Quellen 63
      1. 1.3.1 Autobiographie 65
      2. 1.3.2 Brief 66
      3. 1.3.3 Tagebuch 72
  7. 2 KünstlerInnen über sich 79
    1. 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
      1. 2.1.1 Der Künstler, sein Archivar und sein Nachlass 80
      2. 2.1.2 Die Autobiographie „Aus meinem Leben“ (1911–1952) 83
    2. 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
      1. 2.2.1 Der Künstler als Erzähler 105
      2. 2.2.2 Die Autobiographie „Mein Leben“ (1971) 109
    3. 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
      1. 2.3.1 Autobiographisches in Tagebüchern und Briefen 136
      2. 2.3.2 „Biographische Notizen“ (1929) 138
    4. 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
      1. 2.4.1 Erklärungen zu einem Negativbefund 150
      2. 2.4.2 Die „Klessheimer Sendboten“ (1927) 154
    5. 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
      1. 2.5.1 Versuch einer Verweigerung 164
      2. 2.5.2 Der „Lebensbericht“ (1968) 166
    6. 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
  8. 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
    1. 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
      1. 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
      2. 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
      3. 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
      4. 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
    2. 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
      1. 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
      2. 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
      3. 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
      4. 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
    3. 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
      1. 3.3.1 Alfred Kubin: Von der Ariosophie zum Buddhismus 277
      2. 3.3.2 Aloys Wach, die Kabbala und Jesus Christus als „Okkultist“ . . . . . . . 284 Exkurs: Die „Affäre Schappeller“ 291
    4. 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
  9. 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
    1. 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
    2. 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
      1. 4.2.1 Kubin, der Krieg und das Ende der „alten Ruhe“ 321
      2. 4.2.2 „Ich bin so froh, dass ich noch lebe“: Oskar Kokoschka und der Erste Weltkrieg 328
    3. 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
      1. 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
      2. 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
      3. 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
      4. 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
    4. 4.4 Nationalsozialismus 382
      1. 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
      2. 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
      3. 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
      4. 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
    5. 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
  10. Dank 426
  11. Abkürzungsverzeichnis 428
  12. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
  13. Quellen- und Literaturverzeichnis 431
  14. Archive und Sammlungen 431
  15. Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
  16. Literatur und gedruckte Quellen 432
  17. Personenregister 463
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