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| 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche
Diskurse278
Prentice Mulford: ‚der Unfug des Sterbens‘.
Apollonius von Tyana, H. v. Hofmannsthal: + ‚das Märchen der 632. Nacht‘.
Blavatzki: ‚Geheimlehre‘ (3 Bd.) Du Prel: ‚Räthsel des Menschen‘
Backofen [sic]: ‚Mutterrecht‘ ‚Gräbersymbolik‘
Mereschkowsky: + ‚Tolstoi u. Dostojewski‘
Bahnsen Julius: ‚der Widerspruch im Wissen u. Wesen der Welt‘ – ‚Charakterologie‘, ‚Mo-
saiken u. Silhouetten‘, ferners die Werke (nicht von Bahnsen): ‚Geheimbünde‘– ‚die anti-
ken Mysterien‘.
James Wobbermin: ‚die religiöse Erfahrung‘ –
[…] Viel M. [Mystik] kommt in Bulwers ‚Zanoni‘ vor, viel Kosmisches in Dickens, Vieles
in Goethe, Garborg, Balzac, Dostojewski, Gogol u.s.w. ohne Ende. Rein mystische Schrif-
ten gibt es viele Tausende, Für sehr vorgeschrittene empfehle ich Bahnsen. – […] für An-
fänger genügen die kl. theosophischen Sachen der Blavatzki [sic], Besant, Steiner, Hart-
mann, Deinhard. – Sehr schön ist auch die myst. Lyrik von R.
M. Rilke – + ‚Stundenbuch‘,
Marsh-Malo ‚das unheimliche Haus‘ ist auch gut – zu Bahnsen rate ich vorläufig direct
ab.“308
Kubins Empfehlungen umfassten das who is who der esoterischen Szene, angerei-
chert mit Werken aus Philosophie und Phantastik. Die 1910 verfasste „Leseliste“
weist dabei auch mehrere Schriftsteller und Werke auf, die einer völkischen, recht-
sesoterischen Szene zuzuordnen sind, allen voran Jörg Lanz von Liebenfels, der Be-
gründer der „ariosophischen“ Bewegung. Die Ariosophie, entstanden in Wien im
ausgehenden 19. Jahrhundert, verknüpfte theosophisches Gedankengut mit rassis-
tisch-germanischen Vorstellungen. Verhaftet in einem kulturpessimistischen Dis-
kurs imaginierten die Ariosophen eine Art paradiesischer Vorvergangenheit einer
rassisch reinen Gesellschaft, die zerstört worden sei und mit Hilfe geheimer religiö-
ser Orden wieder errichtet werden müsse. Nicholas Goodrick-Clarke und auch Wil-
fried Daim verwiesen auf den Einfluss, den die Wiener Ariosophen auf den frühen
Nationalsozialismus und Adolf Hitler hatten.309 Seit 1905 verlegte Lanz von Lieben-
fels als Sprachrohr der ariosophischen Bewegung die „Ostara“-Hefte,310 einige Jahre
zuvor hatte er den männerrechtlich-rassistischen Geheimorden der Neutempler
308 AK an Fritz Herzmanovsky-Orlando, 8.2.1910, zit. nach Herzmanovsky-Orlando, Briefwechsel,
45 f. Besonders wichtig erscheinende Bücher kennzeichnete Kubin mit einem +. Die genauen bib-
liographischen Angaben sowie Anmerkungen zu den Werken und Autoren ebd., 346–354.
309 Nicholas Goodrick-Clarke, Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, Graz 1997; Wilfried
Daim, Der Mann, der Hitler die Ideen gab. Jörg Lanz von Liebenfels, Wien 1994.
310 Eine Übersicht über alle erschienenen Hefte und ihre Inhalte vgl. in Ekkehard Hieronimus, Lanz
von Liebenfels. Eine Bibliographie, Toppenstedt 1991, 44
ff.
Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
Zeitwesen
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Title
- Zeitwesen
- Subtitle
- Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Author
- Birgit Kirchmayr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23310-7
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 468
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Einleitung 11
- Fragestellung und Ausgangsthesen 11
- Theoretische Bezugsrahmen 14
- Quellen 17
- „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
- 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
- 2 KünstlerInnen über sich 79
- 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
- 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
- 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
- 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
- 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
- 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
- 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
- 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
- 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
- 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
- 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
- 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
- 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
- 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
- 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
- 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
- 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
- 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
- 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
- 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
- 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
- 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
- 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
- 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
- 4.4 Nationalsozialismus 382
- 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
- 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
- 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
- 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
- 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
- Dank 426
- Abkürzungsverzeichnis 428
- Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
- Quellen- und Literaturverzeichnis 431
- Archive und Sammlungen 431
- Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
- Literatur und gedruckte Quellen 432
- Personenregister 463