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Diskurse296
und in das auch örtliche Handwerker und Arbeiter eingebunden waren. Aufgrund
des ausbleibenden Erfolgs wurden die Interpretationen zur Grabungsstelle immer
abstruser: Aus dem Hunnengrab wurde das versunkene Atlantis, Aurolzmünster
würde zum Sitz eines neuen Papsttums, außerdem würde man unfassbare Schätze
bergen, wofür es Versprechen auf 300fache Zinsen für weitere Geldgeber geben
sollte. Auch Schappellers Tochter Anna, genannt Anschy, wurde in diesem Zusam-
menhang missbraucht. Sie fungierte quasi kaserniert im Schloss als Medium und
gab den Schatzgräbern Anleitungen.371
Einer der Geldgeber, der sich von Schappellers Phantasien beeindrucken ließ,
war Aloys Wach. Der Künstler dürfte schon in den 1920er-Jahren mit Schappeller
bekannt gewesen sein, er behauptet von sich, einer der ersten gewesen zu sein, der
in einem Zeitungsartikel auf Schappellers Entdeckungen rund um die „Raumkraft“
aufmerksam gemacht habe.372 Aus einem Terminkalender im Nachlass Schappel-
ler lässt sich auch ein zweitägiger Besuch Wachs im November 1927 (oder 1928)
nachweisen.373 Wachs spirituelles Interesse machten Schappeller, seine Tochter, sein
Umfeld und auch die prophezeiten Entdeckungen für diesen sicherlich attraktiv.
In Schappellers Nachlass findet sich eine Abschrift eines Auszugs aus Éliphas Lévis
„Geschichte der Magie“, ganz offenbar von Aloys Wach übergeben und von diesem
handschriftlich mit „Für Herrn Schappeller“ signiert. Der betreffende Textauszug
lautet:
„Philostratos spricht vom philosophischen Stein, den er verschiedentlich ‚Stein‘ oder
‚Licht‘ nennt. Keinem Profanen ist es erlaubt, ihn zu suchen, denn er verschwindet, wenn
man ihn nicht zu nehmen weiss. Die Weisen allein vermögen den Stein zu finden, der
Nachts das brennende und funkelnde Aussehen des Feuers hat, am Tage aber blendet.
Dieses Licht ist ein überfeiner Stoff von wunderbarer Kraft, denn es zieht alles in der Nähe
befindlich an (Philostratos ‚Leben des Appolonius [sic] von Tyana, 3. Buch, Kap. 46). Nach
den Geheimlehren des Appolonius [sic] ist also der philosophische Stein nichts anderes
371 Carl Schappellers Tochter Anna wurde 1903 geboren, nach der Übersiedlung nach Aurolzmünster
verbrachte sie dort zurückgezogen von der Öffentlichkeit ihr gesamtes Leben bis zu ihrem Tod
im Jahr 1955. Seriöse Mitteilungen über ihr Leben fehlen weitgehend. In einem 2012 erschienen
Roman wird sie schwülstig zur erotischen Kindfrau stilisiert. Vgl. Ernest Simharl, Das Geheimnis
der Ur-Kraft. Carl Schappeller und das Medium Antschi [sic], o.O. 2010.
372 Vgl. Wach, Schin, der Herr der Zahl 22, 112. Mit dem Zeitungsartikel ist vermutlich ein offener
Brief Wachs gemeint, der im Linzer Volksblatt 18.7.1925 publiziert wurde und in dem der Künstler
um Unterstützung für Schapeller warb.
373 OÖLA, NL Schappeller, Sch. 11, Kalenderfragment mit Eintrag „Besuch Maler Wach“ am 23. u.
24.11. [1927 oder 1928].
Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
Zeitwesen
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Title
- Zeitwesen
- Subtitle
- Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Author
- Birgit Kirchmayr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23310-7
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 468
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Einleitung 11
- Fragestellung und Ausgangsthesen 11
- Theoretische Bezugsrahmen 14
- Quellen 17
- „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
- 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
- 2 KünstlerInnen über sich 79
- 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
- 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
- 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
- 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
- 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
- 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
- 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
- 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
- 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
- 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
- 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
- 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
- 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
- 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
- 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
- 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
- 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
- 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
- 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
- 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
- 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
- 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
- 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
- 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
- 4.4 Nationalsozialismus 382
- 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
- 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
- 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
- 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
- 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
- Dank 426
- Abkürzungsverzeichnis 428
- Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
- Quellen- und Literaturverzeichnis 431
- Archive und Sammlungen 431
- Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
- Literatur und gedruckte Quellen 432
- Personenregister 463