Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Kunst und Kultur
Zeitwesen - Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Page - 372 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 372 - in Zeitwesen - Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945

Image of the Page - 372 -

Image of the Page - 372 - in Zeitwesen - Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945

Text of the Page - 372 -

| 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus372 Idealisierung ihrer neuen Lebenssituation noch nicht aufgeben. Der Ton der Briefe an die Mutter änderte sich jedoch diesbezüglich bald, immer häufiger berichtete sie über die Härte ihres Berufslebens und die ökonomischen Herausforderungen. Über ein unmittelbar politisches Engagement Kliens vor ihrer Emigration ist nichts bekannt. Die Čižek-Schule, aus der sie hervorging, beschäftigte sich in den 1920er-Jahren zweifellos mit dezidiert sozialkritischen Themen. Unter den politisch engagierten KünstlerInnen der österreichischen Zwischenkriegszeit waren generell viele AbsolventInnen der Kunstgewerbeschule, wie Margarete Schütte-Lihotzky, Otto Rudolf Schatz, Friedl Dicker, um nur einige zu nennen. In New York lebte Klien in einem multiethnischen Milieu, für das sie großes Interesse zeigte. Sie un- terrichtete jüdische SchülerInnen ebenso wie afroamerikanische, und interessierte sich für die Kunst der Native Americans. Ein Naheverhältnis zu nationalsozialis- tischer Ideologie kann wohl ausgeschlossen werden, wenngleich sich dafür keine dezidierten schriftlichen Belege anführen lassen. 1938, im Jahr des „Anschlusses“ Österreichs an das Deutsche Reich, nahm Klien die US-Staatsbürgerschaft an. Schon Jahre zuvor hatte sie darum angesucht, nicht zuletzt wegen der dadurch erleichter- ten Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen.194 So gesehen führte nicht unmittel- bar der „Anschluss“ Österreichs im selben Jahr zu diesem Schritt, möglicherweise festigte die politische Entwicklung in Österreich und Europa aber die Entscheidung. „Anschluss“ und Beginn des Zweiten Weltkriegs sind in den erhaltenen Briefen an die Familie nicht thematisiert, die Briefe von 1940 und 1941 unterscheiden sich le- diglich dadurch, dass der Inhalt von Lebensmittelpaketen, die sie nach Österreich schickt, angeführt wird. Der letzte erhaltene Brief von Klien an ihre Familie in Wien ist datiert mit 16.  Jänner 1941. Der Kriegseintritt der USA im Dezember 1941 ver- hinderte eine weitere Korrespondenz. 1945 nahm die Künstlerin Kontakt mit ihrem mittlerweile (fast) erwachsenen Sohn in Österreich auf – um ihm und seiner Pflegefamilie Care-Pakete zu schicken. Es entwickelte sich daraus eine Korrespondenz, die bis zum Tod der Künstlerin an- hielt. Aktuelle politische Fragen wurden auch hier nicht thematisiert, Grundsätzli- ches über Vorstellungen von Gesellschaft und Demokratie, durchaus in Verbindung mit dem Dasein als Künstler/Künstlerin, aber sehr wohl. Mit Fragen von Demokra- tie und gesellschaftlichem Engagement (umgesetzt in ihrer kunstpädagogischen Ar- beit, auch und vor allem mit sozial benachteiligten Kindern) setzte sich Klien stets auseinander. 1948 schrieb sie ihrem Sohn Walter einen bemerkenswerten Brief, der viel über ihr Verständnis der gesellschaftlichen Rolle des künstlerischen Menschen aussagt und auch Auskunft über ihr demokratisches Verständnis gibt: 194 Vgl. Slg. Pabst, NL Klien, EGK an Bertha Klien, 14.5.1932; EGK an Anna Klien, 17.10.1938. Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
back to the  book Zeitwesen - Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945"
Zeitwesen Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Title
Zeitwesen
Subtitle
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Author
Birgit Kirchmayr
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2020
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23310-7
Size
17.3 x 24.5 cm
Pages
468
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. Einleitung 11
  2. Fragestellung und Ausgangsthesen 11
  3. Theoretische Bezugsrahmen 14
  4. Quellen 17
  5. „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
  6. 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
    1. 1.1 Auto/Biographieforschung 33
      1. 1.1.1 Lebenslauf, Biographie, Autobiographie oder Auto/Biographie? 34
      2. 1.1.2 Auto/Biographie und Geschichtswissenschaft 39
      3. 1.1.3 Auto/Biographie und Geschlecht 47
    2. 1.2 Künstlerauto/biographie 51
      1. 1.2.1 Von Vasaris Viten bis „Inventing Leonardo“: Zur Geschichte der Künstlerbiographik 51
      2. 1.2.2 „Biographische Formeln“: Die „Legende vom Künstler“ 54
      3. 1.2.3 Geniekonzept und Autobiographical Life 59
    3. 1.3 Auto/Biographische Quellen 63
      1. 1.3.1 Autobiographie 65
      2. 1.3.2 Brief 66
      3. 1.3.3 Tagebuch 72
  7. 2 KünstlerInnen über sich 79
    1. 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
      1. 2.1.1 Der Künstler, sein Archivar und sein Nachlass 80
      2. 2.1.2 Die Autobiographie „Aus meinem Leben“ (1911–1952) 83
    2. 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
      1. 2.2.1 Der Künstler als Erzähler 105
      2. 2.2.2 Die Autobiographie „Mein Leben“ (1971) 109
    3. 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
      1. 2.3.1 Autobiographisches in Tagebüchern und Briefen 136
      2. 2.3.2 „Biographische Notizen“ (1929) 138
    4. 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
      1. 2.4.1 Erklärungen zu einem Negativbefund 150
      2. 2.4.2 Die „Klessheimer Sendboten“ (1927) 154
    5. 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
      1. 2.5.1 Versuch einer Verweigerung 164
      2. 2.5.2 Der „Lebensbericht“ (1968) 166
    6. 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
  8. 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
    1. 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
      1. 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
      2. 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
      3. 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
      4. 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
    2. 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
      1. 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
      2. 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
      3. 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
      4. 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
    3. 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
      1. 3.3.1 Alfred Kubin: Von der Ariosophie zum Buddhismus 277
      2. 3.3.2 Aloys Wach, die Kabbala und Jesus Christus als „Okkultist“ . . . . . . . 284 Exkurs: Die „Affäre Schappeller“ 291
    4. 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
  9. 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
    1. 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
    2. 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
      1. 4.2.1 Kubin, der Krieg und das Ende der „alten Ruhe“ 321
      2. 4.2.2 „Ich bin so froh, dass ich noch lebe“: Oskar Kokoschka und der Erste Weltkrieg 328
    3. 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
      1. 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
      2. 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
      3. 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
      4. 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
    4. 4.4 Nationalsozialismus 382
      1. 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
      2. 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
      3. 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
      4. 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
    5. 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
  10. Dank 426
  11. Abkürzungsverzeichnis 428
  12. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
  13. Quellen- und Literaturverzeichnis 431
  14. Archive und Sammlungen 431
  15. Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
  16. Literatur und gedruckte Quellen 432
  17. Personenregister 463
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Zeitwesen