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Die Auftragsvergabe |
29Der
Vertrag
Der nächste Abschnitt der Urkunde betrifft die genaue Beschreibung der Arbeits-
leistung, die Schiffer zu erbringen hatte. Der Auftrag umfasste nicht nur die Tischler-
arbeiten, sondern auch den Schnitzzierrat an Dorsale, Brüstung und Außenwangen.
Wahrscheinlich führte Schiffer selbst das Schnitzmesser, denn er war einer jener
»Hand werker-Künstler«, die in zwei Gewerken bewandert waren. Denkbar wäre
jedoch ebenfalls, dass er mit einem Bildschnitzer als »Subunternehmer« zusammenar-
beitete oder einen Bildschnitzer in seiner Werkstatt beschäftigte. Der Passus im Ver-
tragstext bis auf die obern außzüg muss so verstanden werden, dass Schiffer den Aufsatz
nicht zu fertigen hatte. Die Bekrönung des Möbels könnte also auch schon Inhalt
eines Vorgesprächs zwischen dem Handwerker und dem Abt gewesen sein ; sie sollte
von einem nicht genannten Bildhauer geschaffen werden. In diesem Fall zählte die
Wahl des Schnitzers nicht zu den Aufgaben Schiffers, sondern zu jenen Mallys. Beides
war aber prinzipiell möglich, wie aus zeitgenössischen Quellen hervorgeht. So wird im
Vertrag des Göttweiger Abtes Odilo Piazol (reg. 1749–1768) mit dem Tischler Franz
Anton Staudinger (1705–1781) über die Anfertigung eines neuen Chorgestühls für
die Göttweiger Stiftskirche dezidiert betont, dass es Staudinger oblag, Tischlergesel-
len und Bildhauer als Mitarbeiter einzustellen.7 Er war der alleinige Ansprechpartner
des Abtes und haftete persönlich für eventuelle Mängel am ausgeführten Produkt.
Die von Placidus Mally im Vertrag verwendeten Formeln mit sonderbahren fleiß, zier,
und formlichkheith oder vor obbesagte schen, formlich, und wohlgemachte tischler arbeith
offenbaren den hohen Anspruch des Abtes an die Arbeit seines Handwerkers. Andere
Auftraggeber verwiesen auf Modelle, Risse oder bereits fertiggestellte Möbel, um ihre
Forderung nach guter handwerklicher und ästhetischer Qualität zu unterstreichen.8
Schiffers Kontrakt ist weiterhin zu entnehmen, dass der Tischler das nötige Werk-
material für den Bau des Gestühls bereitzustellen hatte, womit es in seinen Aufgaben-
bereich fiel, für geeignetes Holz zu sorgen. Für eventuelle Trocknungsschäden wäre er
also haftbar gemacht worden. Um keine Zweifel an der Frage aufkommen zu lassen,
wer gegebenenfalls für solche Schäden die Verantwortung zu übernehmen hätte, findet
sich in Verträgen häufig der Zusatz, die Tischlerarbeit müsse mit ausreichend abgela-
gertem Holz ausgeführt werden, eine Forderung, die die Handwerker ohne vertragli-
che Vereinbarungen keineswegs immer erfüllten.9 Manchmal bestanden Auftraggeber
deshalb auf einer zeitlich begrenzten Gewährleistung, wie ein Vertrag dokumentiert,
7 Der Kontrakt datiert vom 10. Dezember 1764. StAGö, K-G/L. 8, Staudiger Umschlag »Chorgestühl«.
Vgl. dazu einen Vertrag mit ähnlichen Formulierungen aus den 1660er-Jahren bei Koller, Entwurf (1998),
42.
8 Vgl. etwa Penz, Kalendernotizen (2013), 251 sowie das folgende Kapitel über Modelle und Entwürfe.
9 Der Zusatz findet sich beispielsweise im Vertrag über den Bau der Möbel für die Melker Sommersakris-
tei. ÖKT, Melk (1909), 185.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Titel
- Sakralmöbel aus Österreich
- Untertitel
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Band
- II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Autor
- Michael Bohr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21246-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 628
- Schlagwörter
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Die Auftragsvergabe 27
- II. Handwerker und Kunsthandwerker 35
- III. Künstlerische Inventionen, Modelle und Entwürfe 43
- Zur Geschichte 43
- Allgemeines 44
- Modelle für Sakralmöbel 45
- Die Frage nach der Urheberschaft von Entwürfen für Sakralmöbel 47
- Entwürfe und Modelle von Architekten und Baumeistern 47
- Entwürfe und Modelle von »Tischler-Architekten« 50
- Entwürfe und Modelle von Tischlern und Zimmerleuten 51
- Entwürfe von Bildhauern und Bildschnitzern 53
- Entwürfe eines Theateringenieurs und eines Theaterdekorateurs 53
- Entwürfe von Ornamentkünstlern und die Rezeption von Ornamentstichen 54
- Entwürfe von Stuckateuren und die Rezeption von Stuckarbeiten 55
- IV. Barocke Möbel und sakraler Raum 57
- V. Zeittypische Stilbildungen 69
- VI. Österreichische Kunstlandschaften und regionale
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 91
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 91
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 91
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 92
- I. Sakralbauten im Burgenland 93
- II. Sakralbauten in Kärnten 114
- Friesach, Stadtpfarrkirche hl. Bartholomäus 114
- Gösseling, Filialkirche hl. Michael 120
- Griffen, Ehemaliges Prämonstratenserstift 122
- Griffen, Alte Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 122
- Griffen, Pfarr- und ehemalige Stiftskirche Mariae Himmelfahrt 125
- Gurk, Konkathedrale und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 129
- Klagenfurt, Dom- und Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul 146
- Loschental, Filialkirche hl. Josef 151
- Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal 154
- Villach, Stadthauptpfarrkirche hl. Jakob d. Ä 171
- Völkermarkt, Stadtpfarrkirche hl. Maria Magdalena 177
- III. Sakralbauten in Salzburg/Stadt und Land 183
- Maria Plain, Wallfahrtskirche Maria Plain (Maria Himmelfahrt) 183
- Mattsee, Kollegiatstift 189
- Michaelbeuern, Benediktinerstift 196
- Salzburg, Benediktiner-Erzabtei St. Peter 206
- Salzburg, Dreifaltigkeitskirche 219
- Salzburg, Metropolitankirche hll. Rupert und Virgil 229
- Salzburg, St. Markus 244
- Salzburg-Mülln, Stadtpfarrkirche zu Unserer Lieben Frau Mariae
- Himmelfahrt 248
- IV. Sakralbauten in der Steiermark 255
- Frauenberg, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Opferung 255
- Graz, Barmherzige Brüder, Kloster und Spital 263
- Graz, Dom- und Pfarrkirche St. Ägidius 272
- Graz, Franziskanerkloster 289
- Graz, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariatrost 292
- Graz, Pfarrkirche St. Andrä 305
- Graz, Welsche Kirche / Kirche hl. Franz de Paula 309
- Gröbming, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 312
- Mariahof, Pfarrkirche hl. Maria 323
- Neuberg an der Mürz, Pfarrkirche Maria Himmelfahrt 333
- Pöllau, Pfarrkirche St. Veit 347
- Pürgg, Pfarrkirche St. Georg 359
- Rein, Zisterzienserstift 365
- Rottenmann, Stadtpfarrkirche St. Nikolaus 381
- St. Lambrecht, Benediktinerabtei 386
- Vorau, Augustiner-Chorherrenstift 404
- V. Sakralbauten in Tirol 419
- Bad Mehrn, Filialkirche hl. Bartholomäus 419
- Brixlegg, Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 424
- Innsbruck, Hofkirche zum hl. Kreuz 430
- Innsbruck, Jesuitenkirche zur hl. Dreifaltigkeit 437
- Innsbruck, Servitenkloster 449
- Kramsach, Maria Thal, Pfarrkirche hl. Dominikus 459
- Kundl, Filial- und Wallfahrtskirche St. Leonhard auf der Wiese 469
- St. Georgenberg, Benediktinerabtei 478
- Stams, Zisterzienserabtei 487
- Wilten, Prämonstratenser-Chorherrenstift 513
- VI. Sakralbauten in Vorarlberg 525
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse – Literatur- Zusammenfassung und Ausblick
- Ziele der Untersuchung 551
- Zum strukturellen Aufbau der beiden Bücher 551
- Auftraggeber und Finanziers der Ausstattungen 552
- Wer waren die Tischler ? 553
- Wer waren die Entwerfer der Möbelgarnituren ? 555
- Zusammenarbeit von Tischlern mit anderen Gewerken 556
- Sakralmöbel und Ambiente 558
- Vermittlung und Weitergabe neuer Formen – Österreichische
- Kunstlandschaften 560
- Fazit und Ausblick 562
- Glossar 564
- Ortsindex 573
- Künstlerverzeichnis 577
- Abkürzungsverzeichnis 582
- Abbildungsnachweis 586
- Literaturverzeichnis 587