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40 | Handwerker und Kunsthandwerker
In verschiedenen Städten durfte sich ein Bildschnitzer erst dann als Tischler betä-
tigen, wenn er die Meisterprüfung der Tischlerzunft abgelegt und damit seine hand-
werklichen Fähigkeiten unter Beweis gestellt hatte. So konnte ein Meister wie Ge-
org Brenck d. Ä. (1564/65–1635) im mittelfränkischen Bad Windsheim als zünftiger
Handwerker eine Schreinerei betreiben, ja sogar ein wichtiges Amt in der Schreiner-
zunft innehaben, und dennoch als Bildschnitzer sein tägliches Brot verdienen. Eine
Ausbildung in beiden Berufen erhielten auch seine Lehrlinge, was allerdings für Un-
mut bei den Zunftmeistern gesorgt zu haben scheint.48
Obwohl also viele Tischler in der Schnitzkunst bewandert waren, dürften sie sich
in der Regel doch spezialisiert und nur zur Bewerkstelligung einfacher Arbeiten selbst
zum Schnitzmesser gegriffen haben. Aufwendigere Stücke gaben sie zur Weiterbe-
arbeitung an versierte Bildschnitzer ab49, Archivalien bekunden diesen Vorgang : So
baute 1743 der in Furth ansässige Tischler Franz Anton Staudinger (1705–1781) für
die Abtei Göttweig einen Prunkspiegel, den er durch den Bildhauer Johann Schmidt
mit Schnitzarbeiten dekorieren ließ. Und 1765 schuf der Tischler im Auftrag des nie-
derösterreichischen Klosters einen Tisch für das Reliquiar des hl. Altmann, den ein
Bildschnitzer vollendete ; wahrscheinlich handelte es sich um Anton Caccon (1742–
1811).50 Während sich am Tisch die Arbeiten Staudingers und die des Bildschnit-
zers deutlich voneinander scheiden lassen, zählen andere Ausstattungsobjekte wie
der Göttweiger Spiegel, die Beichtstühle im Stift Wilhering oder das Chorgestühl in
Baumgartenberg zu jenen Bildhauermöbeln, bei denen der Schnitzzierrat nicht mehr
reiner Dekor ist, sondern die vom Tischler geschaffene Struktur der Möbel fast voll-
ständig überzieht. Die Grenzen zwischen den beiden Kunstgattungen verschwimmen
dort völlig. Ein weiteres Beispiel für solche Inventarstücke liefern die Beichtstühle
in Vomp-Fiecht (Abb. 343–346), die Franz Xaver Nissl (1731–1804) zugeschrieben
werden. Nissl schuf die Bildhauerarbeiten und wahrscheinlich auch die Entwürfe zu
den Möbeln, die jedoch wahrscheinlich nicht in seinem Atelier, sondern in der Werk-
statt externer Meister entstanden.51 Die Arbeitsorganisation Nissls entsprach somit
der des Admonter Stiftsbildhauers Josef Stammel (1695–1765), der Risse für Altäre
und andere Ausstattungsstücke zeichnete, während er die jeweiligen Tischlerarbeiten
von selbständigen Handwerkern ausführen ließ.52 In der relevanten Fachliteratur wird
48 Schweikert, Brenck (2002), 53–57.
49 S. hierzu auch Bergemann, Meisterrisse (1999), 54.
50 Zum Stift Göttweig s. Lechner, Göttweig (2000), 805 ; Bohr, Handwerkersaläre (2011), 349–352. Allge-
mein zu Caccon vgl. Harhammer, Barocke Holzskulptur (1988), bes. 255–267.
51 Hölzl, Nissl (1976), 19–20, 36.
52 Schweigert, Barockbildhauer (2004), 40.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Titel
- Sakralmöbel aus Österreich
- Untertitel
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Band
- II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Autor
- Michael Bohr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21246-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 628
- Schlagwörter
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Die Auftragsvergabe 27
- II. Handwerker und Kunsthandwerker 35
- III. Künstlerische Inventionen, Modelle und Entwürfe 43
- Zur Geschichte 43
- Allgemeines 44
- Modelle für Sakralmöbel 45
- Die Frage nach der Urheberschaft von Entwürfen für Sakralmöbel 47
- Entwürfe und Modelle von Architekten und Baumeistern 47
- Entwürfe und Modelle von »Tischler-Architekten« 50
- Entwürfe und Modelle von Tischlern und Zimmerleuten 51
- Entwürfe von Bildhauern und Bildschnitzern 53
- Entwürfe eines Theateringenieurs und eines Theaterdekorateurs 53
- Entwürfe von Ornamentkünstlern und die Rezeption von Ornamentstichen 54
- Entwürfe von Stuckateuren und die Rezeption von Stuckarbeiten 55
- IV. Barocke Möbel und sakraler Raum 57
- V. Zeittypische Stilbildungen 69
- VI. Österreichische Kunstlandschaften und regionale
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 91
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 91
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 91
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 92
- I. Sakralbauten im Burgenland 93
- II. Sakralbauten in Kärnten 114
- Friesach, Stadtpfarrkirche hl. Bartholomäus 114
- Gösseling, Filialkirche hl. Michael 120
- Griffen, Ehemaliges Prämonstratenserstift 122
- Griffen, Alte Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 122
- Griffen, Pfarr- und ehemalige Stiftskirche Mariae Himmelfahrt 125
- Gurk, Konkathedrale und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 129
- Klagenfurt, Dom- und Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul 146
- Loschental, Filialkirche hl. Josef 151
- Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal 154
- Villach, Stadthauptpfarrkirche hl. Jakob d. Ä 171
- Völkermarkt, Stadtpfarrkirche hl. Maria Magdalena 177
- III. Sakralbauten in Salzburg/Stadt und Land 183
- Maria Plain, Wallfahrtskirche Maria Plain (Maria Himmelfahrt) 183
- Mattsee, Kollegiatstift 189
- Michaelbeuern, Benediktinerstift 196
- Salzburg, Benediktiner-Erzabtei St. Peter 206
- Salzburg, Dreifaltigkeitskirche 219
- Salzburg, Metropolitankirche hll. Rupert und Virgil 229
- Salzburg, St. Markus 244
- Salzburg-Mülln, Stadtpfarrkirche zu Unserer Lieben Frau Mariae
- Himmelfahrt 248
- IV. Sakralbauten in der Steiermark 255
- Frauenberg, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Opferung 255
- Graz, Barmherzige Brüder, Kloster und Spital 263
- Graz, Dom- und Pfarrkirche St. Ägidius 272
- Graz, Franziskanerkloster 289
- Graz, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariatrost 292
- Graz, Pfarrkirche St. Andrä 305
- Graz, Welsche Kirche / Kirche hl. Franz de Paula 309
- Gröbming, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 312
- Mariahof, Pfarrkirche hl. Maria 323
- Neuberg an der Mürz, Pfarrkirche Maria Himmelfahrt 333
- Pöllau, Pfarrkirche St. Veit 347
- Pürgg, Pfarrkirche St. Georg 359
- Rein, Zisterzienserstift 365
- Rottenmann, Stadtpfarrkirche St. Nikolaus 381
- St. Lambrecht, Benediktinerabtei 386
- Vorau, Augustiner-Chorherrenstift 404
- V. Sakralbauten in Tirol 419
- Bad Mehrn, Filialkirche hl. Bartholomäus 419
- Brixlegg, Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 424
- Innsbruck, Hofkirche zum hl. Kreuz 430
- Innsbruck, Jesuitenkirche zur hl. Dreifaltigkeit 437
- Innsbruck, Servitenkloster 449
- Kramsach, Maria Thal, Pfarrkirche hl. Dominikus 459
- Kundl, Filial- und Wallfahrtskirche St. Leonhard auf der Wiese 469
- St. Georgenberg, Benediktinerabtei 478
- Stams, Zisterzienserabtei 487
- Wilten, Prämonstratenser-Chorherrenstift 513
- VI. Sakralbauten in Vorarlberg 525
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse – Literatur- Zusammenfassung und Ausblick
- Ziele der Untersuchung 551
- Zum strukturellen Aufbau der beiden Bücher 551
- Auftraggeber und Finanziers der Ausstattungen 552
- Wer waren die Tischler ? 553
- Wer waren die Entwerfer der Möbelgarnituren ? 555
- Zusammenarbeit von Tischlern mit anderen Gewerken 556
- Sakralmöbel und Ambiente 558
- Vermittlung und Weitergabe neuer Formen – Österreichische
- Kunstlandschaften 560
- Fazit und Ausblick 562
- Glossar 564
- Ortsindex 573
- Künstlerverzeichnis 577
- Abkürzungsverzeichnis 582
- Abbildungsnachweis 586
- Literaturverzeichnis 587