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Barocke Möbel und sakraler Raum |
59Prunkappartements,
Zeremo iell und Liturgie
Massengliederung nur in diesem Raum einen Sinn erhält, ausschließlich dort wird ihre
Form verständlich.
Ein ungewöhnliches Aussehen weisen ferner die Ankleidekredenzen des Klosters
Altenburg von 1735/40 auf. Die von einer ovalen Kuppel bekrönte Sakristei erhebt
sich über rechteckigem Grundriss, der Eingang befindet sich auf der Südseite. Hohe
und schlanke Nischen strukturieren das Mauerwerk, das im Westen und Osten für
Fenster durchbrochen ist. Aufsatzschränke, deren Breite und Höhe von den Nischen-
gewänden und Fensteröffnungen begrenzt werden, schließen die seitlichen Wandver-
tiefungen, lediglich das Exemplar auf der Nordseite ist etwas größer. Die Schränke
zeichnen sich durch zwei Besonderheiten aus : Die Tischler nutzten beim Bau der
Ankleidekredenzen nicht die gesamte Raumtiefe und -breite, sondern passten die Mö-
bel in relativ kleine Nischen ein, was ihr Aufnahmevermögen stark begrenzte. Darüber
hinaus besitzen die Sakristeischränke eine konkave Vorderfront und spiegeln so in
raffinierter Weise die Rundung der Kuppel wider. Auch diese Garnitur ist folglich mit
dem Baukörper verzahnt.
Auf andere Art fügen sich die Sakristeiausstattungen der Domkirche zu Salzburg
und der Barmherzigenkirche zu Graz in die Raumschale ein (Abb. 117–120, 148–
151). Die Schränke und Wandverkleidungen wurden 1733/36 resp. um 1770 gefertigt.
Reichen die Tischlerarbeiten in Salzburg bis unter den Gewölbeansatz, wo sie mit
einem weitgehend gerade verlaufenden Gesims abschließen, so ragen in der Sakristei
der Barmherzigenkirche die Hochschränke über den Gewölbeansatz hinaus bis knapp
unter die Decke. Das Getäfel zwischen den Kästen verklammert die Möbel mit dem
Raum.
Ähnliches ist in der Sakristei des Stiftes Vorau zu beobachten, die 1716 mit An-
kleidekredenzen und einer Wandvertäfelung ausstaffiert wurde (Abb. 271–274). Die
an den Wandpfeilern angebrachten Verkleidungen und die in die Fensternischen ein-
gesetzten Schränke nehmen etwa das untere Drittel der Raumhöhe ein, darüber fol-
gen großflächige Malereien. Das Deckenfresko vergegenwärtigt das Jüngste Gericht,
an der Westwand bilden der Höllenrachen und die Verdammten den Bildinhalt, die
Fresken der übrigen Wände geben Passionsszenen wieder.126 Die Gemälde erzeugen
mit ihren bewegten Darstellungen einen scharfen Kontrast zur blockhaften Geschlos-
senheit des zeitgleich entstandenen Mobiliars, die von den gebauchten Oberschränken
kaum gemindert wird. Gleichwohl ist die Tatsache nicht zu übersehen, dass der Ent-
wurf der Möbelgarnitur auf eine organische Einbeziehung der Tischlerarbeiten in die
gesamte Raumdekoration abzielte.
126 Gierse, Bildprogramme (2010), 508–524 ; Mayrhofer, Stift Vorau (2017), 148–156.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Titel
- Sakralmöbel aus Österreich
- Untertitel
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Band
- II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Autor
- Michael Bohr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21246-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 628
- Schlagwörter
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Die Auftragsvergabe 27
- II. Handwerker und Kunsthandwerker 35
- III. Künstlerische Inventionen, Modelle und Entwürfe 43
- Zur Geschichte 43
- Allgemeines 44
- Modelle für Sakralmöbel 45
- Die Frage nach der Urheberschaft von Entwürfen für Sakralmöbel 47
- Entwürfe und Modelle von Architekten und Baumeistern 47
- Entwürfe und Modelle von »Tischler-Architekten« 50
- Entwürfe und Modelle von Tischlern und Zimmerleuten 51
- Entwürfe von Bildhauern und Bildschnitzern 53
- Entwürfe eines Theateringenieurs und eines Theaterdekorateurs 53
- Entwürfe von Ornamentkünstlern und die Rezeption von Ornamentstichen 54
- Entwürfe von Stuckateuren und die Rezeption von Stuckarbeiten 55
- IV. Barocke Möbel und sakraler Raum 57
- V. Zeittypische Stilbildungen 69
- VI. Österreichische Kunstlandschaften und regionale
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 91
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 91
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 91
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 92
- I. Sakralbauten im Burgenland 93
- II. Sakralbauten in Kärnten 114
- Friesach, Stadtpfarrkirche hl. Bartholomäus 114
- Gösseling, Filialkirche hl. Michael 120
- Griffen, Ehemaliges Prämonstratenserstift 122
- Griffen, Alte Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 122
- Griffen, Pfarr- und ehemalige Stiftskirche Mariae Himmelfahrt 125
- Gurk, Konkathedrale und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 129
- Klagenfurt, Dom- und Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul 146
- Loschental, Filialkirche hl. Josef 151
- Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal 154
- Villach, Stadthauptpfarrkirche hl. Jakob d. Ä 171
- Völkermarkt, Stadtpfarrkirche hl. Maria Magdalena 177
- III. Sakralbauten in Salzburg/Stadt und Land 183
- Maria Plain, Wallfahrtskirche Maria Plain (Maria Himmelfahrt) 183
- Mattsee, Kollegiatstift 189
- Michaelbeuern, Benediktinerstift 196
- Salzburg, Benediktiner-Erzabtei St. Peter 206
- Salzburg, Dreifaltigkeitskirche 219
- Salzburg, Metropolitankirche hll. Rupert und Virgil 229
- Salzburg, St. Markus 244
- Salzburg-Mülln, Stadtpfarrkirche zu Unserer Lieben Frau Mariae
- Himmelfahrt 248
- IV. Sakralbauten in der Steiermark 255
- Frauenberg, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Opferung 255
- Graz, Barmherzige Brüder, Kloster und Spital 263
- Graz, Dom- und Pfarrkirche St. Ägidius 272
- Graz, Franziskanerkloster 289
- Graz, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariatrost 292
- Graz, Pfarrkirche St. Andrä 305
- Graz, Welsche Kirche / Kirche hl. Franz de Paula 309
- Gröbming, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 312
- Mariahof, Pfarrkirche hl. Maria 323
- Neuberg an der Mürz, Pfarrkirche Maria Himmelfahrt 333
- Pöllau, Pfarrkirche St. Veit 347
- Pürgg, Pfarrkirche St. Georg 359
- Rein, Zisterzienserstift 365
- Rottenmann, Stadtpfarrkirche St. Nikolaus 381
- St. Lambrecht, Benediktinerabtei 386
- Vorau, Augustiner-Chorherrenstift 404
- V. Sakralbauten in Tirol 419
- Bad Mehrn, Filialkirche hl. Bartholomäus 419
- Brixlegg, Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 424
- Innsbruck, Hofkirche zum hl. Kreuz 430
- Innsbruck, Jesuitenkirche zur hl. Dreifaltigkeit 437
- Innsbruck, Servitenkloster 449
- Kramsach, Maria Thal, Pfarrkirche hl. Dominikus 459
- Kundl, Filial- und Wallfahrtskirche St. Leonhard auf der Wiese 469
- St. Georgenberg, Benediktinerabtei 478
- Stams, Zisterzienserabtei 487
- Wilten, Prämonstratenser-Chorherrenstift 513
- VI. Sakralbauten in Vorarlberg 525
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse – Literatur- Zusammenfassung und Ausblick
- Ziele der Untersuchung 551
- Zum strukturellen Aufbau der beiden Bücher 551
- Auftraggeber und Finanziers der Ausstattungen 552
- Wer waren die Tischler ? 553
- Wer waren die Entwerfer der Möbelgarnituren ? 555
- Zusammenarbeit von Tischlern mit anderen Gewerken 556
- Sakralmöbel und Ambiente 558
- Vermittlung und Weitergabe neuer Formen – Österreichische
- Kunstlandschaften 560
- Fazit und Ausblick 562
- Glossar 564
- Ortsindex 573
- Künstlerverzeichnis 577
- Abkürzungsverzeichnis 582
- Abbildungsnachweis 586
- Literaturverzeichnis 587