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Friesach, Stadtpfarrkirche hl.
Bartholomäus | 117
Manieristische und frühbarocke Ornamentmotive bestimmen die Gesamterscheinung
des zweireihigen Gestühls (Abb. 20, 21).31 Die Brüstungen weisen seitlich des Mittel-
eintritts arkadenförmige Füllungen auf, die ionische Pilaster vor breiten Rücklagen
flankieren. Die Stützen stehen auf massiven Postamenten, Schuppenfriese zieren die
Schäfte, schwere Voluten tragen die Kapitelle. Die Arkaden ruhen auf hohen Sockeln,
die mit großen Ziernägeln am Untergrund befestigt zu sein scheinen. Blütenmedail-
lons füllen die Piedestale sowie die Zwickel seitlich der Arkadenbögen. Über dieser
Zone folgt ein vollständiges, mit Konsolen und Blütenfestons dekoriertes Gebälk.
Das Dorsale spiegelt das architektonische Ordnungssystem der Brüstung wider,
wenn auch mit ruhigeren Formen. Statt manieristischer Pilaster kommen kannelierte
ionische Säulen zum Einsatz. Die mit Schnitzereien dekorierten Füllungen besitzen
abermals die Form von Rundarkaden, die hier allerdings in geohrte Rahmen einge-
stellt und mit einem Giebel versehen sind. Die Ziermotive sind flacher und weniger
dicht über die Fläche verteilt. Den Abschluss bildet ein schweres Gebälk. Das For-
menrepertoire der Ornamente reicht von Würfel- und Zahnschnittfries bis hin zu
Perlreihen, Konsolen, Agraffen, Bändern und Blütenmedaillons.
Die Tischler fertigten Dorsale¸ Brüstung und Rückenlehne der vorderen Sitzbank
aus massivem und aufgedoppeltem Nussholz, die hintere Rückwand aus Nadelholz.
Die Außenseiten des Möbels sind dunkelbraun, teilweise fast schwarz eingefärbt. Wie
das an Gestühlen in Weltkirchen öfter zu beobachten ist, dienen hier keine Einzel-
stallen, sondern Bänke als Sitzgelegenheiten, doch unterteilen Konsolen die Lehne der
Rückbank in einzelne Abschnitte.
In seiner Arbeit zu Chorgestühlen in der Steiermark und Kärnten berichtet Georg
Gerlach 1931 von acht Sitzen pro Seite, das trifft zu. Gerlach datierte das Gestühl
auf die Zeit um 1635, während es der neueren Literatur zufolge um 1680 oder gar
erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts entstanden sein soll. Die Spätdatierung ist zu
korrigieren, zeigt die Ornamentik doch ausschließlich manieristische und frühbarocke
Ziermotive. Entwicklungsgeschichtlich steht das Chorgestühl auf einer Stufe mit den
Schatzkammerschränken in Lilienfeld von 1646, wobei in Friesach noch auf Zierele-
mente zurückgegriffen wurde, die sich bereits am Regauer-Schrank in Kremsmünster
von 1618 und am Gestühl der Piaristenkirche in Krems von 1620 oder 1630 wiederfin-
den.32 Selbst wenn man eine gewisse Stilverschleppung unterstellen mag, lässt sich die
These von einer Herstellung der Möbel im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts nicht
halten. Neu ist das Laufpodest.
31 Gerlach, Chorgestühl (1931), 34 ; ÖKM, Kärnten (1977), 58 ; Reichmann-Endres, St. Bartholomäus
(2001), 16.
32 Bohr, Sakralmöbel (2017), 368–370, 387–389, 524–526.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Titel
- Sakralmöbel aus Österreich
- Untertitel
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Band
- II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Autor
- Michael Bohr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21246-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 628
- Schlagwörter
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Die Auftragsvergabe 27
- II. Handwerker und Kunsthandwerker 35
- III. Künstlerische Inventionen, Modelle und Entwürfe 43
- Zur Geschichte 43
- Allgemeines 44
- Modelle für Sakralmöbel 45
- Die Frage nach der Urheberschaft von Entwürfen für Sakralmöbel 47
- Entwürfe und Modelle von Architekten und Baumeistern 47
- Entwürfe und Modelle von »Tischler-Architekten« 50
- Entwürfe und Modelle von Tischlern und Zimmerleuten 51
- Entwürfe von Bildhauern und Bildschnitzern 53
- Entwürfe eines Theateringenieurs und eines Theaterdekorateurs 53
- Entwürfe von Ornamentkünstlern und die Rezeption von Ornamentstichen 54
- Entwürfe von Stuckateuren und die Rezeption von Stuckarbeiten 55
- IV. Barocke Möbel und sakraler Raum 57
- V. Zeittypische Stilbildungen 69
- VI. Österreichische Kunstlandschaften und regionale
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 91
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 91
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 91
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 92
- I. Sakralbauten im Burgenland 93
- II. Sakralbauten in Kärnten 114
- Friesach, Stadtpfarrkirche hl. Bartholomäus 114
- Gösseling, Filialkirche hl. Michael 120
- Griffen, Ehemaliges Prämonstratenserstift 122
- Griffen, Alte Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 122
- Griffen, Pfarr- und ehemalige Stiftskirche Mariae Himmelfahrt 125
- Gurk, Konkathedrale und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 129
- Klagenfurt, Dom- und Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul 146
- Loschental, Filialkirche hl. Josef 151
- Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal 154
- Villach, Stadthauptpfarrkirche hl. Jakob d. Ä 171
- Völkermarkt, Stadtpfarrkirche hl. Maria Magdalena 177
- III. Sakralbauten in Salzburg/Stadt und Land 183
- Maria Plain, Wallfahrtskirche Maria Plain (Maria Himmelfahrt) 183
- Mattsee, Kollegiatstift 189
- Michaelbeuern, Benediktinerstift 196
- Salzburg, Benediktiner-Erzabtei St. Peter 206
- Salzburg, Dreifaltigkeitskirche 219
- Salzburg, Metropolitankirche hll. Rupert und Virgil 229
- Salzburg, St. Markus 244
- Salzburg-Mülln, Stadtpfarrkirche zu Unserer Lieben Frau Mariae
- Himmelfahrt 248
- IV. Sakralbauten in der Steiermark 255
- Frauenberg, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Opferung 255
- Graz, Barmherzige Brüder, Kloster und Spital 263
- Graz, Dom- und Pfarrkirche St. Ägidius 272
- Graz, Franziskanerkloster 289
- Graz, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariatrost 292
- Graz, Pfarrkirche St. Andrä 305
- Graz, Welsche Kirche / Kirche hl. Franz de Paula 309
- Gröbming, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 312
- Mariahof, Pfarrkirche hl. Maria 323
- Neuberg an der Mürz, Pfarrkirche Maria Himmelfahrt 333
- Pöllau, Pfarrkirche St. Veit 347
- Pürgg, Pfarrkirche St. Georg 359
- Rein, Zisterzienserstift 365
- Rottenmann, Stadtpfarrkirche St. Nikolaus 381
- St. Lambrecht, Benediktinerabtei 386
- Vorau, Augustiner-Chorherrenstift 404
- V. Sakralbauten in Tirol 419
- Bad Mehrn, Filialkirche hl. Bartholomäus 419
- Brixlegg, Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 424
- Innsbruck, Hofkirche zum hl. Kreuz 430
- Innsbruck, Jesuitenkirche zur hl. Dreifaltigkeit 437
- Innsbruck, Servitenkloster 449
- Kramsach, Maria Thal, Pfarrkirche hl. Dominikus 459
- Kundl, Filial- und Wallfahrtskirche St. Leonhard auf der Wiese 469
- St. Georgenberg, Benediktinerabtei 478
- Stams, Zisterzienserabtei 487
- Wilten, Prämonstratenser-Chorherrenstift 513
- VI. Sakralbauten in Vorarlberg 525
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse – Literatur- Zusammenfassung und Ausblick
- Ziele der Untersuchung 551
- Zum strukturellen Aufbau der beiden Bücher 551
- Auftraggeber und Finanziers der Ausstattungen 552
- Wer waren die Tischler ? 553
- Wer waren die Entwerfer der Möbelgarnituren ? 555
- Zusammenarbeit von Tischlern mit anderen Gewerken 556
- Sakralmöbel und Ambiente 558
- Vermittlung und Weitergabe neuer Formen – Österreichische
- Kunstlandschaften 560
- Fazit und Ausblick 562
- Glossar 564
- Ortsindex 573
- Künstlerverzeichnis 577
- Abkürzungsverzeichnis 582
- Abbildungsnachweis 586
- Literaturverzeichnis 587