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358 | Sakralbauten in der Steiermark
nenfeld ist aufgesetzt. Dieses Motiv haben wir bereits an Möbeln aus Oberösterreich,
dem Burgenland und Kärnten kennengelernt (Abb. 16, 18).370 Muschelartige Orna-
mente zieren die Ecken des Feldes, Laub- und Bandlwerk die verbleibende Fläche.
Die Rückwand setzt sich aus einem mit seitlichen Blenden versehenen Sockel und
einem hohen Aufsatz zusammen, den ein geschweifter Baldachin überfängt. Baluster
flankieren den Sitz des Prälaten, sie tragen schlanke Voluten, die bis zum Abschlussge-
bälk emporragen. Zwei seitliche Bögen vor der Außenmauer stützen die Konstruktion.
Blattwerk liegt auf den Voluten, unter dem Baldachin hängt ein Lambrequin, in der
Mitte des Gebälks ist eine mit einem Putto bekrönte Inschriftentafel mit dem Mono-
gramm des Propstes Johann Ernst von Ortenhofen (reg. 1697–1743) angebracht. Eine
geschweifte Tür verschließt die Stalle.
Die Sitze der übrigen Konventmitglieder weisen eine ähnliche, aber nicht ganz so
aufwendige Ausgestaltung auf. Henkelpilaster unterteilen die Brüstung, deren Füllun-
gen verkröpfte Ecken besitzen, hochrechteckige Spiegel mit konkav gerundeten Ecken
sind als Binnenfelder aufgedoppelt. Hier säumen miteinander verkettete Bögen die
zentralen Felder, Muscheln ergänzen das Gebälk der Brustwände.
Auch am Dorsale übernehmen Volutenpilaster die tektonische Strukturierung. Nun
tragen die Rückwandfüllungen ovale, nach vorn gewölbte Binnenfelder. Das Möbel
kennzeichnet insofern eine außergewöhnliche Konstruktion, als die Chorherren nicht
auf Einzelstallen, sondern auf einer Sitzbank Platz nahmen. Allerdings definieren die
hohen und geschweiften Rückenlehnen sowie kurze Zwischenwangen und Armleh-
nen die einzelnen Sitzplätze. Unverkennbar wird hier an das Aussehen profaner Arm-
lehnssessel angeknüpft, eine vergleichbare Konstruktion kommt an den für die Studie
untersuchten Möbeln kein zweites Mal vor.
Bei Gestühlen über U-förmigem Grundriss stellen die Endstücke, an denen die
Gestühlsreihen rechtwinklig aufeinandertreffen, stets nicht nur eine ästhetische, son-
dern auch eine räumliche Problemzone dar, denn es ist kaum möglich, die Stallen so
anzuordnen, dass den Konventmitgliedern ein angenehmes Sitzen ermöglicht wird
(Farbtaf. 01 ; Abb. 02, 254). In Pöllau wurde auf diese gestalterische Herausforderung
überzeugend reagiert, indem man die Gestühlsreihen mit diagonal gestellten Schrän-
ken miteinander verband. Die beiden zweitürigen Möbel besitzen die gleiche Höhe
wie das Dorsale, ihr Gebälk setzt sich ohne Unterbrechung seitlich fort. Neben den
Schränken und den außergewöhnlichen Sitzen muss noch auf eine weitere Beson-
derheit hingewiesen werden : In diesem Fall wurde das Gestühl zusammen mit der
Orgel geplant und um 1739 verfertigt. Die Entwürfe stammen aus einer Hand, und
370 Beispielsweise an den Sakristeimöbeln des Linzer Karmelitenklosters. Vgl. hierzu Bohr, Sakralmöbel
(2017), 567–570.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Titel
- Sakralmöbel aus Österreich
- Untertitel
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Band
- II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Autor
- Michael Bohr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21246-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 628
- Schlagwörter
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Die Auftragsvergabe 27
- II. Handwerker und Kunsthandwerker 35
- III. Künstlerische Inventionen, Modelle und Entwürfe 43
- Zur Geschichte 43
- Allgemeines 44
- Modelle für Sakralmöbel 45
- Die Frage nach der Urheberschaft von Entwürfen für Sakralmöbel 47
- Entwürfe und Modelle von Architekten und Baumeistern 47
- Entwürfe und Modelle von »Tischler-Architekten« 50
- Entwürfe und Modelle von Tischlern und Zimmerleuten 51
- Entwürfe von Bildhauern und Bildschnitzern 53
- Entwürfe eines Theateringenieurs und eines Theaterdekorateurs 53
- Entwürfe von Ornamentkünstlern und die Rezeption von Ornamentstichen 54
- Entwürfe von Stuckateuren und die Rezeption von Stuckarbeiten 55
- IV. Barocke Möbel und sakraler Raum 57
- V. Zeittypische Stilbildungen 69
- VI. Österreichische Kunstlandschaften und regionale
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 91
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 91
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 91
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 92
- I. Sakralbauten im Burgenland 93
- II. Sakralbauten in Kärnten 114
- Friesach, Stadtpfarrkirche hl. Bartholomäus 114
- Gösseling, Filialkirche hl. Michael 120
- Griffen, Ehemaliges Prämonstratenserstift 122
- Griffen, Alte Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 122
- Griffen, Pfarr- und ehemalige Stiftskirche Mariae Himmelfahrt 125
- Gurk, Konkathedrale und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 129
- Klagenfurt, Dom- und Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul 146
- Loschental, Filialkirche hl. Josef 151
- Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal 154
- Villach, Stadthauptpfarrkirche hl. Jakob d. Ä 171
- Völkermarkt, Stadtpfarrkirche hl. Maria Magdalena 177
- III. Sakralbauten in Salzburg/Stadt und Land 183
- Maria Plain, Wallfahrtskirche Maria Plain (Maria Himmelfahrt) 183
- Mattsee, Kollegiatstift 189
- Michaelbeuern, Benediktinerstift 196
- Salzburg, Benediktiner-Erzabtei St. Peter 206
- Salzburg, Dreifaltigkeitskirche 219
- Salzburg, Metropolitankirche hll. Rupert und Virgil 229
- Salzburg, St. Markus 244
- Salzburg-Mülln, Stadtpfarrkirche zu Unserer Lieben Frau Mariae
- Himmelfahrt 248
- IV. Sakralbauten in der Steiermark 255
- Frauenberg, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Opferung 255
- Graz, Barmherzige Brüder, Kloster und Spital 263
- Graz, Dom- und Pfarrkirche St. Ägidius 272
- Graz, Franziskanerkloster 289
- Graz, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariatrost 292
- Graz, Pfarrkirche St. Andrä 305
- Graz, Welsche Kirche / Kirche hl. Franz de Paula 309
- Gröbming, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 312
- Mariahof, Pfarrkirche hl. Maria 323
- Neuberg an der Mürz, Pfarrkirche Maria Himmelfahrt 333
- Pöllau, Pfarrkirche St. Veit 347
- Pürgg, Pfarrkirche St. Georg 359
- Rein, Zisterzienserstift 365
- Rottenmann, Stadtpfarrkirche St. Nikolaus 381
- St. Lambrecht, Benediktinerabtei 386
- Vorau, Augustiner-Chorherrenstift 404
- V. Sakralbauten in Tirol 419
- Bad Mehrn, Filialkirche hl. Bartholomäus 419
- Brixlegg, Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 424
- Innsbruck, Hofkirche zum hl. Kreuz 430
- Innsbruck, Jesuitenkirche zur hl. Dreifaltigkeit 437
- Innsbruck, Servitenkloster 449
- Kramsach, Maria Thal, Pfarrkirche hl. Dominikus 459
- Kundl, Filial- und Wallfahrtskirche St. Leonhard auf der Wiese 469
- St. Georgenberg, Benediktinerabtei 478
- Stams, Zisterzienserabtei 487
- Wilten, Prämonstratenser-Chorherrenstift 513
- VI. Sakralbauten in Vorarlberg 525
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse – Literatur- Zusammenfassung und Ausblick
- Ziele der Untersuchung 551
- Zum strukturellen Aufbau der beiden Bücher 551
- Auftraggeber und Finanziers der Ausstattungen 552
- Wer waren die Tischler ? 553
- Wer waren die Entwerfer der Möbelgarnituren ? 555
- Zusammenarbeit von Tischlern mit anderen Gewerken 556
- Sakralmöbel und Ambiente 558
- Vermittlung und Weitergabe neuer Formen – Österreichische
- Kunstlandschaften 560
- Fazit und Ausblick 562
- Glossar 564
- Ortsindex 573
- Künstlerverzeichnis 577
- Abkürzungsverzeichnis 582
- Abbildungsnachweis 586
- Literaturverzeichnis 587