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522 | Sakralbauten in Tirol
ein Vergleich dieser Möbel mit den nur wenige Jahrzehnte älteren in der Innsbrucker
Jesuitenkirche (Abb. 302). Bei vergleichbarer Großform könnte der Eindruck, den
die Beichtstühle vermitteln, kaum unterschiedlicher sein. Klassisch-strenge, etwas steif
wirkende Möbel, die sich in einem renaissancezeitlichen Architekturlehrbuch wieder-
finden könnten, stehen in Wilten Exemplaren gegenüber, die ein durch und durch ba-
rockes Formempfinden ausstrahlen. Es ist die Verbindung der Großform mit der Fülle
an weich fließenden, amorphen Zierelementen, die den Gesamteindruck der Möbel in
Wilten bestimmen.
Konvent
Prälatenstuhl
Wilten, 1668
HS 10 cm
H 380 cm (+ 10 cm) × B 178 cm
Zirbenholz
Die ionischen Pilaster, die die Joche der Brüstung flankieren, tragen ein Gesims mit
dem Lesepult (Abb. 378, 379).624 Die zu Ädikulä uminterpretierten Füllungen ruhen
auf vegetabil verzierten Voluten und schließen mit einer breiten Muschel. Durch einen
Ring gezogene Bögen, die oben mit flachen Scheiben enden und an denen Fruchtgir-
landen hängen, zieren die Binnenfelder.
Eine höchst ungewöhnliche Gestaltung weist die mit Engelhermen besetzte Rück-
wand des Möbels auf. Die Hermen tragen ein verkröpftes Gebälk mit kanneliertem
Gesims. Ihm folgt ein hoher Auszug mit einem mittleren Schild, das zusammen mit
dem Wappen des Klosters und des Auftraggebers die Jahreszahl 1668 zeigt. Durchbro-
chene Bögen mit knorpeligen Verdickungen säumen die Kartusche. Die Bögen enden
am unteren Rand mit jenen zu Scheiben umgedeuteten Voluten, die auch am Laienge-
stühl und an den Beichtstühlen vorkommen. Hohe Nischen bilden die Rückwandfül-
lungen, über denen tiefe schirmartige Baldachine einen Hoheitsraum etablieren. Auch
sie werden von den Hermen gestützt. Cherubim, von deren Flügeln Stoffbänder mit
Fruchtsträußen herabhängen, bereichern die Flächen unter den Baldachinen.
Das Möbel wird momentan in einem Korridor des Konventgebäudes aufbewahrt,
es soll zusammen mit dem Gestühl gebaut worden sein, das 2005 an die Gesellschaft
Jesu in Innsbruck abgegeben wurde und im Querschiff der Jesuitenkirche einen über-
zeugenden Platz gefunden hat (Farbtaf. 30). Historischen Fotos zufolge stand das ba-
624 Schuler, Stiftskirche (1920), 52 ; ders., Stift Wilten (1956), 14 ; Dehio, ebd., 82–83 ; Wartena, Süddeut-
sche Chorgestühle (2008), 397.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Titel
- Sakralmöbel aus Österreich
- Untertitel
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Band
- II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Autor
- Michael Bohr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21246-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 628
- Schlagwörter
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Die Auftragsvergabe 27
- II. Handwerker und Kunsthandwerker 35
- III. Künstlerische Inventionen, Modelle und Entwürfe 43
- Zur Geschichte 43
- Allgemeines 44
- Modelle für Sakralmöbel 45
- Die Frage nach der Urheberschaft von Entwürfen für Sakralmöbel 47
- Entwürfe und Modelle von Architekten und Baumeistern 47
- Entwürfe und Modelle von »Tischler-Architekten« 50
- Entwürfe und Modelle von Tischlern und Zimmerleuten 51
- Entwürfe von Bildhauern und Bildschnitzern 53
- Entwürfe eines Theateringenieurs und eines Theaterdekorateurs 53
- Entwürfe von Ornamentkünstlern und die Rezeption von Ornamentstichen 54
- Entwürfe von Stuckateuren und die Rezeption von Stuckarbeiten 55
- IV. Barocke Möbel und sakraler Raum 57
- V. Zeittypische Stilbildungen 69
- VI. Österreichische Kunstlandschaften und regionale
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 91
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 91
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 91
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 92
- I. Sakralbauten im Burgenland 93
- II. Sakralbauten in Kärnten 114
- Friesach, Stadtpfarrkirche hl. Bartholomäus 114
- Gösseling, Filialkirche hl. Michael 120
- Griffen, Ehemaliges Prämonstratenserstift 122
- Griffen, Alte Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 122
- Griffen, Pfarr- und ehemalige Stiftskirche Mariae Himmelfahrt 125
- Gurk, Konkathedrale und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 129
- Klagenfurt, Dom- und Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul 146
- Loschental, Filialkirche hl. Josef 151
- Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal 154
- Villach, Stadthauptpfarrkirche hl. Jakob d. Ä 171
- Völkermarkt, Stadtpfarrkirche hl. Maria Magdalena 177
- III. Sakralbauten in Salzburg/Stadt und Land 183
- Maria Plain, Wallfahrtskirche Maria Plain (Maria Himmelfahrt) 183
- Mattsee, Kollegiatstift 189
- Michaelbeuern, Benediktinerstift 196
- Salzburg, Benediktiner-Erzabtei St. Peter 206
- Salzburg, Dreifaltigkeitskirche 219
- Salzburg, Metropolitankirche hll. Rupert und Virgil 229
- Salzburg, St. Markus 244
- Salzburg-Mülln, Stadtpfarrkirche zu Unserer Lieben Frau Mariae
- Himmelfahrt 248
- IV. Sakralbauten in der Steiermark 255
- Frauenberg, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Opferung 255
- Graz, Barmherzige Brüder, Kloster und Spital 263
- Graz, Dom- und Pfarrkirche St. Ägidius 272
- Graz, Franziskanerkloster 289
- Graz, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariatrost 292
- Graz, Pfarrkirche St. Andrä 305
- Graz, Welsche Kirche / Kirche hl. Franz de Paula 309
- Gröbming, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 312
- Mariahof, Pfarrkirche hl. Maria 323
- Neuberg an der Mürz, Pfarrkirche Maria Himmelfahrt 333
- Pöllau, Pfarrkirche St. Veit 347
- Pürgg, Pfarrkirche St. Georg 359
- Rein, Zisterzienserstift 365
- Rottenmann, Stadtpfarrkirche St. Nikolaus 381
- St. Lambrecht, Benediktinerabtei 386
- Vorau, Augustiner-Chorherrenstift 404
- V. Sakralbauten in Tirol 419
- Bad Mehrn, Filialkirche hl. Bartholomäus 419
- Brixlegg, Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 424
- Innsbruck, Hofkirche zum hl. Kreuz 430
- Innsbruck, Jesuitenkirche zur hl. Dreifaltigkeit 437
- Innsbruck, Servitenkloster 449
- Kramsach, Maria Thal, Pfarrkirche hl. Dominikus 459
- Kundl, Filial- und Wallfahrtskirche St. Leonhard auf der Wiese 469
- St. Georgenberg, Benediktinerabtei 478
- Stams, Zisterzienserabtei 487
- Wilten, Prämonstratenser-Chorherrenstift 513
- VI. Sakralbauten in Vorarlberg 525
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse – Literatur- Zusammenfassung und Ausblick
- Ziele der Untersuchung 551
- Zum strukturellen Aufbau der beiden Bücher 551
- Auftraggeber und Finanziers der Ausstattungen 552
- Wer waren die Tischler ? 553
- Wer waren die Entwerfer der Möbelgarnituren ? 555
- Zusammenarbeit von Tischlern mit anderen Gewerken 556
- Sakralmöbel und Ambiente 558
- Vermittlung und Weitergabe neuer Formen – Österreichische
- Kunstlandschaften 560
- Fazit und Ausblick 562
- Glossar 564
- Ortsindex 573
- Künstlerverzeichnis 577
- Abkürzungsverzeichnis 582
- Abbildungsnachweis 586
- Literaturverzeichnis 587