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258 Handlungsfelder
„Es hette aber leichtlich remedirt werden können, wan ihro May. der Kayserin nit referirt
were worden, alß solte die praesidentin vngereimbte, vndt wieder den respect laufende re-
den gethan haben, welche dan auch auf befelch ihrer Mt. des Kaysers durch den hn. Obrist
Cammerern ihrem herren vorgehalten, vnd ihr die audienz von ihrer Mt. der Kayserin ab-
geschlagen worden, Sie laugnete aber alles, vnd thate grosse submissiones, vnd wurde auf
intercession ihrer Mt. der Kayserin Eleonora den 4ten tag hierauf mit der schwester (welche
den tag vorhero allein audienz haben sollen, solche aber wegen der angestossenen alteration
nit geschen können) vorgelassen vndt zwar ein halbe stundt ehe die andern frawen kom-
ben, vnd nur stehendt, auch nit lang.“
Hier wurde also die Audienz erst zum Stein des Anstoßes und der Konflikt schließlich
durch eine zweite Audienz beigelegt, bei der aber dezidiert ein reduziertes Zeremoniell
zur Anwendung kam. Dass Kaiserin-Witwe Eleonora Gonzaga-Nevers dabei vermittelnd
eingriff, zeigt zugleich das Zeremoniell als Handlungsraum der Kaiserin. Dieser lässt sich
ebenso in anderen Fällen beobachten, etwa im Fall der Audienz des portugiesischen Bot-
schafters 169658 – Charles Joseph Procope de Ligne war eben in Wien angekommen und
hielt sich noch inkognito in der Stadt auf, da seine Antrittsaudienz beim Kaiser noch nicht
stattgefunden hatte. Allerdings wünschte er nach dem Vorbild des venezianischen Bot-
schafters schon vorher eine Privataudienz bei Kaiser und Kaiserin, worüber sich die Hof-
konferenz aber nicht einigen konnte. Das Zeremonialprotokoll vermerkte dazu:
„Weillen aber ihro Maytt. die Kaißerin [Eleonora Magdalena] gern gesehen, dass ihme hn.
pottschafftern auff sein instendiges anhalten gewillfahret werden möchte, so haben ihro
Kay. Maytt. aus vrsachen, dass die Königin in Portugal ihro Maytt. der Kayßerin schwester
ist, vnd vntern praetext, dass er herr pottschaffter was wichtiges vorzutragen, in sein peti-
tum allergnädigst eingewilligt.“
Dauer und Gegenstand von Audienzen
Es ist in diesem Fall nicht erkennbar, was der Botschafter Wichtiges vorzutragen hatte,
aber die Bemerkung führt zur zweiten bedeutsamen Dimension einer Audienz – neben
dem symbolischen Aspekt von Rang und Prestige wurde ja auch ganz realiter kommu-
niziert bei einem solchen Zusammentreffen. Meist handelte es sich nicht um ausführ-
liche Gespräche, die dabei geführt wurden, denn die übliche Dauer einer Audienz bei
58 HHStA, ZP 5, fol. 277v–278r, 27.03.1696. Siehe die Auskünfte Kaiserin Eleonora Gonzagas zum
Krönungszeremoniell 1653, oben 129.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Titel
- Die Kaiserin
- Untertitel
- Reich, Ritual und Dynastie
- Autor
- Katrin Keller
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 430
- Schlagwörter
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Überblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und Kurfürsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Überlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- Grußbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- Fürbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die Begründung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- Abkürzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427