Seite - 65 - in Die Kaiserin - Reich, Ritual und Dynastie
Bild der Seite - 65 -
Text der Seite - 65 -
Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen
Reich der Frühen Neuzeit
Aus einer engen juristischen Sicht, das hat die Überschau der reichspublizistischen Dis-
kussionen eindeutig ergeben, stellte die Kaiserinnenkrönung keinen relevanten Akt dar
– seit den frühmittelalterlichen Anfängen resultierte der Status als Kaiserin aus dem der
Ehefrau respektive Witwe des Kaisers. Ihre Krönung beruhte ebenfalls auf dem Willen des
Kaisers, seiner Gemahlin Weihe und Salbung zukommen zu lassen. Diese Konstellation
beschreibt freilich nicht die Wirkmächtigkeit und Relevanz des Rituals selbst, wie sich das
auch für die Krönung des Kaisers erkennen lässt. Spätestens seit der Fixierung des Wahl-
königtums mit der Goldenen Bulle verlor diese gegenüber der Wahl an Gewicht1 – der
Kaiser war Kaiser im Moment der Postulation durch die Kurfürsten. Trotzdem blieb es bis
zum Ende des Reiches undenkbar, dass ein gewählter Kaiser ohne die Sakralisierung durch
eine Krönung regierte2. Bis 1452 fanden daneben regelmäßig Krönungen von Königinnen
und Kaiserinnen statt, und 1612 wurde die Tradition wieder aufgenommen – aber wie sah
eine Kaiserinnenkrönung in der Neuzeit überhaupt aus und welche Funktionen erfüllte sie
für das Reich?
Ein Blick auf die Forschungsgeschichte zeigt, dass es auf der einen Seite für die Beant-
wortung dieser Fragen relevante Vorarbeiten gibt, die in erster Linie den Ablauf der Krö-
nung des Königs bzw. Kaisers betreffen. Beim Krönungsritual handelte es sich allerdings
nicht um einen einzelnen Akt, sondern um eine ganze Ritualsequenz, mit der Thronwech-
sel und Herrschereinsetzung symbolisch-rituell gestaltet und damit zugleich Verfassungs-
verhältnisse sichtbar gemacht und bestätigt wurden3. Zentral waren dafür der Akt der Sal-
bung mit einem geweihten Öl sowie der des Aufsetzens der Krone, aber diese wurden in
eine ganze Folge damit verbundener weiterer Schritte eingebunden. Der Darstellung dieses
1 Hoke, Limnaeus, 123f.; Sellert, Krönung und Krönungsrecht, 27f.; Stollberg-Rilinger, Die
Puppe Karls des Großen, 48; Rudolph, Kontinuität und Dynamik, 379, 387–388; zum Spätmittel-
alter Büttner, Weg zur Krone, 49, 699–780.
2 Stollberg-Rilinger, Die Puppe Karls des Großen, 49–51, 67. Dazu auch HHStA, RK WuK 65,
fol. 149r/v: Johann Joseph Khevenhüller-Metsch an Franz Stephan von Lothringen, 28.08.1745,
Frankfurt: Letzterer sei „ipso facto rex romanorum“ in dem Moment, in dem er gewählt worden
sei und die Wahlkapitulation unterschrieben habe. 1711 allerdings beharrten die Kurfürsten darauf,
dass der Kaiser erst nach der Krönung im Reich regierungsfähig sei, siehe Arneth, Eigenhändige
Korrespondenz, 210f.
3 Stollberg-Rilinger, Ritual, 90f.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Titel
- Die Kaiserin
- Untertitel
- Reich, Ritual und Dynastie
- Autor
- Katrin Keller
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 430
- Schlagwörter
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Überblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und Kurfürsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Überlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- Grußbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- Fürbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die Begründung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- Abkürzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427