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Kaiserin und Reich: Schluss
Wie die Einleitung zu diesem Buch beginnt auch sein Schluss mit der Feststellung, dass
das Heilige Römische Reich und seine Institutionen in der Forschung eher nicht mit der
Kaiserin in Verbindung gebracht werden. Damit folgt sie den Zeitgenossen des frühneu-
zeitlichen Reiches insofern, als auch für diese evident war, dass Frauen generell in Institu-
tionen wie dem Reichshofrat, dem Reichskammergericht oder dem Reichstag keine Funk-
tion zukam. Bei Reichsakten in der Kaiserresidenz Wien wie reichfürstlichen Belehnungen
und der Ernennung von Reichshofräten war die regierende Kaiserin nicht anwesend1.
Überschaut man jedoch die in den vorangehenden vier Kapiteln zusammengestellten Be-
obachtungen und Ergebnisse, so darf man wohl festhalten, dass die Kaiserin im Heiligen
Römischen Reich dessen ungeachtet in deutlich größerem Ausmaß präsent war, als das
bisherige Darstellungen nahelegten.
Das gilt zum Ersten für die juristischen Debatten um die Reichsverfassung, die ihrer-
seits eines der kommunikativen Elemente waren, die das Reich zusammenhielten. Die
Ausführungen im Kapitel zur Reichspublizistik machen sichtbar, dass die Rolle der Kai-
serin zwar zweifellos kein zentrales Thema dieser Debatten darstellte. Der verfassungs-
rechtliche Platz der Kaiserin blieb jedoch dauerhaft integraler Bestandteil derselben, wie
am Beispiel der Diskussionen um die „Majestas“ des Kaisers ebenso wie um die Goldene
Bulle gezeigt werden konnte. Dies unterscheidet die Reichspublizistik von der Rechts- und
Verfassungsgeschichtsschreibung späterer Jahrhunderte ebenso wie von der Forschung des
20. Jahrhunderts zur Reichsgeschichte, die der Kaiserin in diesem Kontext kaum Beach-
tung geschenkt haben. Dass der Status des Heiligen Römischen Reiches als Wahlmonar-
chie dabei weitgehende Folgen für die Rolle der Kaiserin hatte, wurde in der Reichspubli-
zistik erst spät explizit formuliert, und erst um die Mitte des 18. Jahrhundert wurden ihre
Handlungsspielräume und Rechte insofern historisiert, als Wahlstatus und der Verlust der
Privilegien einer „consors regni“ direkt miteinander verbunden wurden. Zugleich waren
die Debatten der Reichsverfassungsjuristen, in denen auf die Kaiserin Bezug genommen
wurde, durch ihre Argumentation Bestandteil umfassender juristischer Positionsbestim-
mungen, die auf eine sukzessive diskursive Entmachtung von Frauen in politischen Kon-
texten hinausliefen.
Mit der Kaiserinnenkrönung des Jahres 1612 wurde im frühneuzeitlichen Reich zum
Zweiten eine weit ins Mittelalter zurückreichende Tradition wieder aufgenommen, die
1 Siehe etwa HHStA, ZP 1, S. 849–850, 17.07.1659; ZP 5, fol. 377v, 2.12.1697.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Titel
- Die Kaiserin
- Untertitel
- Reich, Ritual und Dynastie
- Autor
- Katrin Keller
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 430
- Schlagwörter
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Überblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und Kurfürsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Überlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- Grußbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- Fürbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die Begründung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- Abkürzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427