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1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung
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aus den angefĂŒhrten Ă€sthetischen Quellentexten ohne eine wenigstens rudi-
mentÀre AbklÀrung von Hanslicks Kenntnis scheint jedoch nicht nur im Falle
Glatts durchweg spekulativ.
Wenn Glatts Analyse des gedanklichen Hintergrundes von Hanslicks
Hypothese somit dessen genaue LektĂŒre des romantischen Kunstkonzepts in
seinen ganzen Gestalten nötig macht, hat Abegg eine andere Quelle eruiert,
die schon öfters mit Hanslicks VMS-Traktat verknĂŒpft wurde: Kants Kritik
der Urteilskraft (1790). Da Hanslick ein âpathologischesâ Hörverhalten (VMS,
S. 127) als Àsthetisch irrelevant bestimmte und Kants Schrift die subjektiv uni-
versale âSchönheitâ vom nur subjektiven âAngenehmenâ unterscheidet, das von
âReiz und RĂŒhrungâ regiert werde,40 ist Hanslicks Kenntnis von Kants Lehre
fĂŒr Abegg zwingend gegeben. Auf die Frage, ob das wirklich verbĂŒrgt sei,
repliziert Abegg derartig: âKants âKritik der Urteilskraftâ wird er im philo-
sophischen Grundstudium an der Prager UniversitĂ€t wenigstens flĂŒchtig ken-
nengelernt haben.â41 Wenn Kants Schrift und ihr direkter Einfluss auf Hans-
licks VMS-Traktat auch noch genauer erörtert werden sollen, zumal sie fĂŒr
die Hanslick-Rezeption im englischen Sprachraum wichtig wurden (Kap. 4.1),
seien schon jetzt einige erlÀuternde Bemerkungen eingeschoben: Das habsbur-
gische Bildungswesen sowie dessen politisches Fundament vor dem Jahr 1848
waren nÀmlich derartig beschaffen, dass Abeggs plausibel scheinende Annahme
rundweg entkrÀftet wird. Kants Lehre, die von der österreichischen Unter-
richtspolitik als politisch gefÀhrlich eingestuft und zum wichtigsten Kataly-
sator fĂŒr die Französische Revolution erklĂ€rt worden ist â man sprach dabei
sogar von der buchstĂ€blichen âMordphilosophieâ und den âperversen Grund-
sĂ€tzenâ des kantianischen âMaterialismusâ42 â war fĂŒr die ganze Dauer von
Hanslicks Studienzeit eigentĂŒmlich reglementiert.43
Gegenwart, Dissertation UniversitĂ€t Halle 1969, S. 217â224. Siehe hierzu rezent: Hiroshi
Yoshida, âEduard Hanslick and the Idea of âPublicâ in Musical Culture: Towards a
Socio-Political Context of Formalistic Aestheticsâ, in IRASM 32/2 (2001), S. 179â199,
hier S. 181â184; Markus GĂ€rtner, Eduard Hanslick versus Franz Liszt. Aspekte einer grund-
legenden Kontroverse, Hildesheim/ZĂŒrich/New York 2005, S. 40; Hanna Stegbauer, Die
Akustik der Seele. Zum Einfluss der Literatur auf die Entstehung der romantischen Instrumental-
musik und ihrer Semantik, Göttingen 2006, S. 80f. Siehe dazu auch mehrere BeitrÀge in
StrauĂ, Hanslick Schriften (wie Anm. 16), Bd. 2, S. 391f. und 396â399 und Bd. 4, S. 422.
40 Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft, hrsg. von Heiner Klemme, Hamburg 2009, S. 75
(§13, A223).
41 Werner Abegg, MusikÀsthetik und Musikkritik bei Eduard Hanslick, Regensburg 1974, S. 20.
42 Werner Sauer, Ăsterreichische Philosophie zwischen AufklĂ€rung und Restauration. BeitrĂ€ge zur
Geschichte des FrĂŒhkantianismus in der Donaumonarchie, WĂŒrzburg/Amsterdam 1982, S. 283.
43 Siehe dazu meine Essays: âEduard Hanslick zwischen Deutschem Idealismus und
Ăsterreichischem Realismus. Eine Fallstudie zur österreichischen Kantrezeptionâ, in
Ausgehend von Kant. Wegmarken der Klassischen Deutschen Philosophie, hrsg. von Violetta
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423