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1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung
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Judentum in der Musik (1850) von Richard Wagner vorsorglich angebracht, in
dessen zweiter Auflage (1869) grundlos vermutet wird, dass die musikalischen
Ausführungen in Vischers Ästhetik (1846–1857) von Hanslick verfasst wor-
den wären.80 Wagner bedauerte deswegen, dass eine „vollblutig germanische“
Abhandlung durch solche „musikalische Judenschönheit“ sowie deren „zier-
lich verdeckte, jüdische Abkunft“ entstellt worden sei.81 Wenn Karl Grunsky
ebenfalls beklagte, dass Vischer und David Friedrich Strauß ‚hanslickisch‘
argumentiert hätten sowie „die jüdische Denkart in der deutschen Gefühls-
weise“ derartig geläufig sei, ist das folgenschwere Missverständnis von ihm gar
aus Wagner’scher Blickrichtung dergestalt korrigiert worden, dass viel eher
Karl Köstlin Vischers Musikteil verfasste.82 Trotz allem blieb die vermeintliche
Beeinflussung von Hanslicks VMS-Traktat durch Vischers Ästhetik – Vischer
sah die Parallelen sogar selbst83 – allgemein anerkannt und ist nur von Rudolf
Schäfke als „direkte[Â
] Einwirkung Hanslicks auf Vischer“ gefasst worden,84 da
80 Zum Thema Wagner-Hanslick-Antisemitismus vergleiche prinzipiell: Thomas S. Grey,
„Masters and Their Critics: Wagner, Hanslick, Beckmesser, and ‚Die Meistersinger‘“, in
Wagner’s ‚Meistersinger‘: Performance, History, Representation, hrsg. von Nicholas Vazsonyi,
Rochester/Woodbridge 2003, S. 165–189; Landerer, „Wagner, Hanslick, Nietzsche“ (wie
Anm.Â
60); ders., „Hanslick“, in Wagner und Nietzsche. Kultur – Werk – Wirkung. Ein Hand-
buch, hrsg. von Stefan Lorenz Sorgner, H. James Birx und Nikolaus Knoepffler, Reinbek
2008, S. 373–385; Leon Botstein, „German Jews and Wagner“, in Richard Wagner and His
World, hrsg. von Thomas S. Grey, Oxford/Princeton 2009, S. 151–197; David Kasunic,
„On ‚Jewishness‘ and Genre: Hanslick’s Reception of Gustav Mahler“, in Grimes/Dono-
van/Marx, Rethinking Hanslick (wie Anm. 4), S. 311–338.
81 Jens Malte Fischer, Richard Wagners ‚Das Judentum in der Musik‘. Eine kritische Dokumenta-
tion als Beitrag zur Geschichte des Antisemitismus, Frankfurt/Leipzig 2000, S. 177 und 187.
Für Hanslicks Reaktion vgl.: „Richard Wagner’s ‚Judenthum in der Musik‘“, in Neue
Freie Presse (09.03.1869) und die deutlich gekürzte Fassung in: Fischer, Wagners ‚Judentum‘,
S.Â
232–238. Zur direkten Wirkung von Wagners Irrtum siehe etwa auch: Eduard Hanslick,
Die moderne Oper 3. Aus dem Opernleben der Gegenwart. Neue Kritiken und Studien, Berlin
1884, S. 348. Vgl. Kap. 1.3.
82 Karl Grunsky, Richard Wagner und die Juden, München 1920, S. 26.
83 Siehe Vischers Schreiben an Hanslick: „Lebten Sie in meiner Nähe […] so hätte mir Ihre
Schrift den Gedanken eingegeben, mich zu diesem Zweck an Sie zu wenden.“ Moderne
Oper 5 (wie Anm. 79), S. 284. Vgl.: Titus, Hegelian Currents (wie Anm. 61), S. 90; Lothar
Schneider, „Form versus Gehalt. Konturen des intellektuellen Feldes im späten 19. Jahr-
hundert“, in Antonicek/Gruber/Landerer, Hanslick zum Gedenken (wie Anm.Â
10), S.Â
39–54,
hier S. 46; Hans-Joachim Hinrichsen, „Ästhetische Grundsätze oder persönliches Res-
sentiment? Eduard Hanslick contra Richard Wagner“, in Richard Wagner und Wien. Anti-
semitische Radikalisierung und das Entstehen des Wagnerismus, hrsg. von Hannes Heer, Chris-
tian Glanz und Oliver Rathkolb, Wien 2017, S. 77–95, hier S. 89.
84 Schäfke, Eduard Hanslick (wie Anm. 21), S. 35. Zu Vischers Einfluss auf Hanslicks Argu-
ment siehe etwa auch: Schäfke, Geschichte (wie Anm. 39), S. 378f.; Stanislaw A. Markus,
Musikästhetik, übers. von Karl Krämer und Lothar Fahlbusch, Leipzig 1967–1977, Bd. 2,
S. 396–398; Abegg, Eduard Hanslick (wie Anm. 41), S. 40f.; Jaroslav StÅ™Ãtecký, „Form und
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423