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1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung
36 Die gröĂtenteils von deutschen Forschern erarbeitete Literatur kannte spĂ€tes-
tens seit der Zwischenkriegszeit im wesentlichen nur ein Anliegen: Die Einord-
nung der Hanslickschen Ăsthetik in den gröĂeren Kontext der zeitgenössischen
deutschen Ăsthetikdiskussion. Hanslicks Ăsthetikschrift wurde so in den Kon-
text der deutschen Klassik und Romantik gestellt und von diesem Kontext aus
sollte auch Hanslicks Gedankenwelt systematisch erschlossen werden. [âŠ]
Trotz der GrĂŒndlichkeit, mit der man dabei zu Werke ging, hat sich die Hoff-
nung, auf dieser Basis die wirklichen âUrbeziehungen, die in Hanslick verfloch-
ten sindâ aufzufinden [âŠ], insgesamt aber nicht erfĂŒllt.88
Eine wesentliche Modifikation dieser relativ einseitigen BemĂŒhungen ist von
der ĂŒberfĂ€lligen Erforschung des preuĂischen Philosophen Johann Friedrich
Herbart bewirkt worden, der von 1809 bis 1833 an der UniversitÀt Königsberg
tĂ€tig war und dessen enorme Relevanz fĂŒr das habsburgische Bildungswesen
von der Hanslick-Forschung sehr lang unzureichend berĂŒcksichtigt wurde.
Herbarts System, das der GegenaufklĂ€rung der Donaumonarchie vorzĂŒglich
entsprochen hat, wurde durch die zwiespÀltigen Rezensionen Eduard Benekes
(1822) regional bekannt,89 mit den 1830er Jahren â etwa auch durch Hanslicks
Vater Josef Adolf Hanslik [sic] â immer breiter rezipiert90 und mit der Re-
form von Graf Leo Thun zum essentiellen Grundprinzip des habsburgischen
Bildungssystems.91 Die Herbartâsche Philosophie beerbte folglich den bis dato
herrschenden dogmatischen Rationalismus (Leibniz, Wolff, Jacobi) und domi-
88 Landerer, âWiener Denkstilâ (wie Anm. 15), S. 91. Das Zitat in obiger Passage stammt
aus: SchÀfke, Geschichte (wie Anm. 39), S. 377. Siehe dazu auch Landerers Arbeiten:
âBolzano, Hanslick, Objektivismus IIâ (wie Anm.Â
11), S.Â
20f.; âĂsthetikprogrammâ (wie
Anm. 19), S. 18; Hanslick und Bolzano (wie Anm. 27), S. 9â22; âĂsthetik von oben? Ăsthe-
tik von unten? ObjektivitĂ€t und ânaturwissenschaftlicheâ Methode in Eduard Hanslicks
MusikĂ€sthetikâ, in AfMw 61/1 (2004), S. 38â53, hier S. 38f.
89 Barbara Otto, âDer sezessionierte Herbart. Wissenschaftsrezeption im Staatsinteresse
zur Zeit Metternichsâ, in Benedikt/Knoll/Rupitz, Bildung und Einbildung (wie Anm. 45),
S. 141â155.
90 Siehe hierzu primĂ€r Blaukopfs Forschung: âEduard Hanslick, Guido Adler und die empiris-
tische Tradition der Musikforschung in Ăsterreichâ, in ĂMZ 47/12 (1992), S. 714â717, hier
S.Â
714; Pioniere empiristischer Musikforschung. Ăsterreich und Böhmen als Wiege der modernen Kunst-
soziologie, Wien 1995, S. 89; âIm Geiste Bolzanos und Herbarts. AnsĂ€tze empiristischer
Musikforschung in Wien und Pragâ, in Bolzano und die österreichische Geistesgeschichte, hrsg. von
Heinrich Ganthaler und Otto Neumaier, St. Augustin 1997, S.Â
237â264, hier S.Â
250f.
91 Andreas Hoeschen und Lothar Schneider, âDer ideengeschichtliche Ort des Herbartia-
nismus. Einleitung in: Herbarts âKultursystemâ â Die Bedeutung des Herbartianismus
fĂŒr die Grundlegung und Entwicklung der Wissenschaften im 19. Jahrhundertâ, in
Herbarts Kultursystem. Perspektiven der TransdisziplinaritÀt im 19. Jahrhundert, hrsg. von
Andreas Hoeschen und Lothar Schneider, WĂŒrzburg 2001, S. 9â22. FĂŒr die österreichi-
sche WeiterfĂŒhrung von Herbarts Ăsthetik vgl.: Georg JĂ€ger, âDie Herbartianische
Ăsthetik. Ein österreichischer Weg in die Moderneâ, in Die österreichische Literatur. Ihr Pro-
fil im 19. Jahrhundert (1830â1880), hrsg. von Herbert Zeman, Graz 1982, S. 195â219.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423