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1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat
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diese Frage im Jahr 1975 prominent eingeführt,167 ohne aber die strittige re-
ligiöse Herkunft von Karoline mit belastbaren Quellenbelegen abzusichern,
während Hanslicks Ursprünge im deutschen Sprachraum konsequent unbeach-
tet blieben, um Wagners Angriff letztendlich ‚abzuwehren‘. Blume, der den
MGG-Artikel zu Hanslick verfasste, bemerkte dazu etwa noch, dass Hanslick
der Nachwelt meistens verzerrt tradiert worden sei und das Opfer von „übel-
wollender Verunglimpfung“ war: „Die Entstellungen beginnen mit der bis in
die jüngste Zeit nachgeschriebenen Behauptung, Hanslick sei jüdischer Ab-
stammung gewesen.“168
Diese Frage birgt neben punktuellen historischen Implikationen aber auch
zusätzliche inhaltliche Ergebnisse. Denn Sams hat mit der für ihn nun belegten
jüdischen Herkunft Hanslicks die weniger evidente Hypothese gekoppelt, dass
Hanslicks Abwendung von Wagners Werken durch dessen Judentum-Broschüre
und ihre klar antisemitischen Diffamierungen erklärt werden könne, sodass
Hanslicks VMS-Traktat als ein „book against Wagner“ gelesen werden müsse:169
„It was not ‚emotive meanings‘ in music that became anathema; it was a case of
renouncing, and denouncing, Wagner and all his works.“170 Diese These, die von
Wapnewski ebenfalls verfochten wurde,171 ist weiterhin dermaßen verbreitet,
dass sie gar von Lachmann im fachfremden Psychoanalytic Inquiry erörtert wer-
den konnte,172 und Wagners Å’uvre gilt auch noch bei Mark Evan Bonds als der
tatsächliche Beweggrund für Hanslicks VMS-Traktat.173 Payzant setzte deren
beiderseitige Entfremdung aus den gleichen Gründen mit dem Jahr 1847 an, was
167 Eric Sams, „Eduard Hanslick, 1825–1904: The Perfect Anti-Wagnerite“, in MT 116 (1975),
S. 867–868, hier S. 868.
168 Friedrich Blume, „Hanslick, Eduard“, in MGG, Kassel/Basel 1956, Bd. 5, Sp. 1482–1493,
hier Sp. 1485. Schon Adler hat die gleiche Strategie verfolgt: Richard Wagner. Vorlesungen
gehalten an der Universität zu Wien, Leipzig 1904, S.Â
188. Wenn Blume den Ursprung Karo-
lines schlicht leugnet, ist er in Abeggs Hanslick-Artikel (MGG², Kassel u.a. 2002, Perso-
nenteil Bd. 8, Sp. 667–672) nirgends gestreift worden.
169 Karl Popper, Unended Quest: An Intellectual Autobiography, London/New York 2010, S.Â
249.
Zu dieser gängigen, obgleich fraglichen Hypothese siehe vor allem Wilfing, „Richard
Wagner“ (wie Anm. 21) und die dort erörterte Forschung.
170 Sams, „Anti-Wagnerite“ (wie Anm. 167), S. 868. Vgl.: ders., „Hanslick, Eduard“ (wie
Anm. 166), S. 152. Zur Kritik von Sams’ These siehe etwa auch: Grey, „Masters and
Critics“ (wie Anm. 80), S. 169; Landerer, „Hanslick“ (wie Anm. 80), S. 374; Brodbeck,
Defining ‚Deutschtum‘ (wie Anm. 160), S. 50.
171 Peter Wapnewski, „Eduard Hanslick als Darsteller seiner selbst“, in Hanslick, Aus meinem
Leben (wie Anm. 17), S. 487–513, hier S. 511; ders., „Eduard Hanslick als Kritiker der
Musik seiner Zeit“, in Eduard Hanslick. Aus dem Tagebuch eines Rezensenten. Gesammelte
Musikkritiken, hrsg. von Peter Wapnewski, Kassel u.a. 1989, S. 320–356, hier S. 354.
172 Frank M. Lachmann, „Violations of Expectations in Creativity and Perversion“, in PI
26/3 (2006), S. 362–385, hier S. 375f.
173 Bonds, Absolute Music (wie Anm. 31), S. 208.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423