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1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption
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Argument allerhand frappante Parallelen erkennen lässt.228 Schon Glatt hat die
Ähnlichkeit von Hanslicks Hypothese mit Ingardens Philosophie bekräftigt,
der ein Schüler Husserls war und auf der Grundlage von Hanslick die onto-
logische Problematik der musikalischen Komposition detailliert erörterte.229
Landerer streift zudem andere österreichische Persönlichkeiten – Hans Kel-
sen, Adolf Loos, Alois Riegl –, deren puristische Denkansätze in Architektur,
Kunsthistorie und Rechtstheorie mit der autochthonen Spezialästhetik erklärt
werden können, was die teilweise Kongruenz mit der methodischen Ausrich-
tung Hanslicks ausreichend konkretisiert.230 Landerers Interesse gilt hier jedoch
primär der Wiener Moderne, bei der sich zeige, dass ihre wesentliche theore-
tische Manifestation – der Wiener Kreis – auf Hanslicks Positionen erstaun-
lich kontrovers reagierte. Während mehrere deutsche Vertreter des Logischen
Empirismus (z.B. Rudolf Carnap und Moritz Schlick) einen traditionellen
ästhetischen Emotivismus favorisierten, da Musik und Kunst den kognitivisti-
schen Anforderungen des methodischen Positivismus keineswegs entsprechen
konnten, waren dessen österreichische Repräsentanten durch ihre musikalische
Sozialisation für Hanslicks Argument überwiegend empfänglich.231 Für Karl
Popper und Ludwig Wittgenstein, die künstlerische Laufbahnen eingeschla-
gen hatten, wiesen musikalische Kunstwerke ein deutlich größeres kognitives
Potential auf, als dies ihre deutschen Genossen zugestehen wollten. Poppers
und Wittgensteins Missbilligung des ästhetischen Emotivismus könnte somit
auf die ‚formalistische‘ Musikästhetik bezogen werden, die „in Wien […] auch
lange nach Hanslicks Tod (1904) noch überaus bekannt“ war.232
228 Landerer, „Ästhetikprogramm“ (wie Anm. 19), S. 16f.; ders., „Ästhetik von oben?“ (wie
Anm.Â
88), S.Â
42f. und 50f. Vgl.: Attila Fodor, „Eduard Hanslick: ‚The Beautiful in Music‘
– An Aesthetics of the Absolute Music“, in SUM 56/2 (2011), S. 29–41, hier S. 34; Chris-
toph Landerer und Nick Zangwill, „Contemplating Musical Essence“, in JRMA 141/2
(2016), S. 483–494, hier S. 489f.
229 Glatt, Eduard Hanslick (wie Anm. 34), S. 102–124. Vgl.: Danko Grlić, „Autonome oder
gesellschaftsbedingte Musik. Versuch eines marxistischen Zugangs“, in IRASM 7/2
(1976), S. 125–145, hier S. 130; Milan Damnjanović, „Eduard Hanslick als Begründer der
modernen Musikästhetik“, in Benedikt/Knoll/Rupitz, Bildung und Einbildung (wie
Anm. 45), S. 717–727, hier S. 722 und 727; Payzant, Sixteen Lectures (wie Anm. 12), S. 86.
230 Vergleiche Landerers Arbeiten: „Bolzano, Hanslick, Objektivismus II“ (wie Anm. 11),
S. 19–23; „Wiener Denkstil“ (wie Anm. 15), S. 99–103; „Österreichische Geistesge-
schichte“ (wie Anm. 18), S. 55. Siehe dazu auch: Johnston, Austrian Mind (wie Anm. 166),
S. 153; Blaukopf, Empiristische Musikforschung (wie Anm. 90), S. 134–139.
231 Landerer, „Bolzano, Hanslick, Objektivismus II“ (wie Anm. 11), S. 23–26. Die Hanslick-
Rezeption im Logischen Empirismus wird von ihm in „Wiener Denkstil“ (wie Anm.Â
15),
S. 103–114 und Hanslick und Bolzano (wie Anm. 27), S. 133–143, abermals diskutiert. Vgl.:
Boisits, „Grenzen der Kunst“ (wie Anm. 146), S. 238–241.
232 Landerer, „Bolzano, Hanslick, Objektivismus II“ (wie Anm. 11), S. 26.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423