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1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung
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tanz der âunendlichen Melodieâ kompensiere, mit folgenden Worten beurteilte:
âDie Farbe ist ihnen alles, der musikalische Gedanke nichtsâ,274 schrieb Nietz-
sche analog: âDie Farbe des Klanges entscheidet hier; was erklingt, ist bei-
nahe gleichgĂŒltig.â275 WĂ€hrend Nietzsche dieses Diktum ĂŒber Wagner in der
gleichen Passage auf die Formel bringt: âUnendlichkeit, aber ohne Melodieâ,
wurde dieses PhĂ€nomen von Hanslick als âmelodisches Nervenfiberâ bezeich-
net, das nur ein andauerndes Melodisieren âin ewigen TrugschlĂŒssenâ wĂ€re,
aber kein âselbststĂ€ndig melodiöses, rhythmisch gegliedertesâ Musikthema
nach sich ziehe:276 die âunendlichen Melodieâ ist fĂŒr ihn âunausgesetzt wogen-
des Modulirenâ,277 âknochenlose Ton-Molluskeâ,278 âUndingâ (VMS, S. 70).
Der Wiener Kritiker befand hierbei auch, dass sich bei Wagner ein âstarkes,
eigenartiges, complicirtes Talentâ eröffne, welches jedoch durch dessen âNatur
und Wirkungâ keineswegs generalisiert werden könnte,279 da er keine tatsĂ€ch-
liche musikalische BefĂ€higung â fĂŒr ihn: die originelle Schöpfung von autar-
ken Melodien â aufweise, aber doch andere VorzĂŒge besitze, die die âihm nur
schwer erreichbaren melodischen Reize aufwiegen konntenâ: âSo bildet denn
Wagner den âUebelstandâ zum System um, machte aus einem einge standenen
Mangel ein Ă€sthetisches Gebot.â280 Bei Nietzsche erscheint dann diese recht
zurĂŒckhaltende Stellungnahme noch wesentlich pointierter, indem dieser
Wagners Theorie ironisch wiedergibt: âAlles, was Wagner nicht kann, ist ver-
werflich. Wagner könnte noch Vieles, aber er will es nicht, â aus RigorositĂ€t
im Princip. Alles, was Wagner kann, wird ihm niemand nachmachen, hat ihm
Keiner vorgemacht, soll ihm Keiner nachmachen ⊠Wagner ist göttlich âŠâ281
Eger hat die offenkundigen argumentativen Ăberschneidungen von Hans-
lick und Nietzsche oftmals erörtert und konnte zeigen, dass Nietzsches Ableh-
nung von Wagners Konzept zumindest teilweise von Hanslicks Schriften inspi-
riert gewesen war.282 Eger hatte dabei jedoch zugleich versĂ€umt, fĂŒr Nietzsches
274 Eduard Hanslick, Die moderne Oper 7. FĂŒnf Jahre Musik (1891â1895), Berlin 1896, S. 179.
275 Friedrich Nietzsche, SĂ€mtliche Werke. Kritische Studienausgabe, hrsg. von Giorgio Colli und
Mazzino Montinari, Berlin/New York ÂČ1999, Bd. 6, S. 24.
276 Eduard Hanslick, Die moderne Oper 1. Kritiken und Studien, Berlin 1875, S. 310.
277 Hanslick, Moderne Oper 3 (wie Anm. 81), S. 314f.
278 Hanslick, Moderne Oper 1 (wie Anm. 276), S. 303.
279 Hanslick, Moderne Oper 7 (wie Anm. 274), S. 63.
280 Hanslick, Moderne Oper 3 (wie Anm. 81), S. 366. Zu den notierten Parallelen siehe etwa
auch: Wilfing, âRichard Wagnerâ (wie Anm. 21), S. 164, 168 und 170.
281 Nietzsche/Colli/Montinari, SÀmtliche Werke (wie Anm. 275), Bd. 6, S. 35.
282 Manfred Eger, âZum Fall Wagner/Nietzsche/Hanslickâ, in Entdecken und Verraten. Zu
Leben und Werk Friedrich Nietzsches, hrsg. von Andreas Schirmer und RĂŒdiger Schmidt,
Wien/Köln/Graz 1999, S. 111â131, hier S. 118â128; Nietzsches Bayreuther Passion, Freiburg
2001, S. 319â334; âNietzsches AusfĂ€lle mit Hanslicks EinfĂ€llen. Fakten und FatalitĂ€ten
um den âFall Wagnerââ, in Antonicek/Gruber/Landerer, Hanslick zum Gedenken (wie
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423