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2. These und Exkurs: Hanslicks Methodik â Ăsthetik versus Kritik
88 antwortet. Je mehr ich mich in historisches Musikstudium vertiefte, desto va-
ger, luftiger zerflatterte die abstrakte MusikÀsthetik, fast wie eine Luftspiegelung,
vor meinen Augen. Es wollte mir scheinen, daĂ eine diesen Namen verdienende
âĂsthetik der Tonkunstâ derzeit noch unausfĂŒhrbar sei.336
SchÀfkes Konstrukt der doppelten Wendung Hanslicks,337 dessen geschichts-
freier Schönheitsbegriff aus dem Jahr 1854 und bestÀndige Referenzen auf die
zitierte Passage aus Hanslicks Memoiren sind dann auch bald zu einem festen
Element des âdeutschenâ Musikdiskurses geworden,338 das man bei wichtigen
Hanslick-Forschern hÀufig findet.339 Wenn dieses beliebte Narrativ auch sehr
divergente Funktionen erfĂŒllen konnte, sind neben einer sachlichen Beschrei-
bung von Hanslicks Argument immer wieder subjektive Tendenzen relevant
geworden, die die âahistorischeâ Orientierung von Hanslicks VMS-Traktat ge-
gen dessen âspĂ€tereâ Position oder diese gegen seinen âabsolutenâ Formalismus
ausspielen wollten.340 Ulrich Tadday, der sich auch auf die zitierte Passage von
Aus meinem Leben berief, folgte SchÀfkes Schema hierbei akkurat und hat die
spĂ€teren Schriften Hanslicks als âBeitrag zur Revision seiner in jungen Jahren
verfaĂten âĂsthetik der Tonkunstââ gewertet.341 Diese Deutung Hanslicks lĂ€sst
sich mit der direkten Referenz auf SchÀfkes Lesart etwa auch schon bei Bekker,
336 Hanslick, Aus meinem Leben (wie Anm. 17), S. 154.
337 FĂŒr SchĂ€fkes Annahme vergleiche insgesamt: Eduard Hanslick (wie Anm. 21), S. 55â70;
Geschichte (wie Anm. 39), S. 381.
338 FĂŒr einige wenige Beispiele aus rezenter Literatur vgl.: Schmidt, Ethische Aspekt (wie
Anm.Â
285), S.Â
33; Cernoch, âZimmermanns Grundlegungâ (wie Anm.Â
110), S.Â
684; Chris-
toph Flamm, Ulrich Tadday und Peter Wicke, âMusikkritikâ, in MGGÂČ, Kassel u.a. 1997,
Sachteil Bd. 9, Sp. 1130â1148, hier Sp. 1373; Andreas Eichhorn, Paul Bekker. Facetten eines
kritischen Geistes, Hildesheim/New York 2002, S.Â
485; Lettgen, Melancholie (wie Anm.Â
255),
S.Â
268f.; Betzler/Nida-RĂŒmelin/Cojocaru, Kunstphilosophie (wie Anm.Â
259), S.Â
405; Klein,
Musikphilosophie (wie Anm. 64), S. 22 und 28f.
339 Stange, Musikanschauung Eduard Hanslicks (wie Anm.Â
324), S.Â
237â239; Glatt, Eduard Hans-
lick (wie Anm. 34), S. 87â89; Abegg, Eduard Hanslick (wie Anm. 41), S. 44f.; Hanslick/
Mehner, Vom Musikalisch-Schönen (wie Anm. 30), S. 22; Khittl, âHanslicks VerhĂ€ltnisâ
(wie Anm. 118), S. 91f. Vgl. Boisitsâ Arbeiten: âFormalismus als Staatsdoktrin?â (wie
Anm. 72), S. 133f.; âGrenzen der Kunstâ (wie Anm. 146), S. 236; âDer Geist des musika-
lisch Schönen. Ferdinand Peter Graf Laurencins hegelianische Kritik an Eduard Hans-
licks Formauffassungâ, in Musicologie sans frontiĂšres â Muzicologija bez granica â Musicology
Without Frontiers, hrsg. von Ivano Cavallini und Harry White, Zagreb 2010, S. 205â222,
hier S.Â
215; âDie Gesetze des spezifisch Musikalischen. Eduard Hanslicks Rechtfertigung
der Ăsthetik gegenĂŒber historischer und naturwissenschaftlicher Kunstbetrachtungâ, in
Antonicek/Gruber/Landerer, Hanslick zum Gedenken (wie Anm. 10), S. 21â27, hier S. 26.
340 Nicole Grimes, Brahmsâs Critics: Continuity and Discontinuity in the Critical Reception of
Johannes Brahms, Dissertation Trinity College Dublin 2008; Deaville, âThrough Historyâ
(wie Anm. 29), S. 23.
341 Flamm/Tadday/Wicke, âMusikkritikâ (wie Anm. 338), Sp. 1373.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423