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2.2. Legendenbildung: die emotionale Wendung Hanslicks
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tung von Hanslicks Konzeption, welche dessen Artikel gegen seine Àstheti-
sche Abhandlung dezidiert ausspielt, um zu zeigen, dass Hanslicks VMS-Trak-
tat eindimensional argumentierte und die dortigen Ansichten von ihm daher
nicht dauerhaft vertreten wurden, war sehr bald allgemein verbreitet. Bereits
Bukofzer nutzte SchÀfkes Annahme, um Hanslicks EinwÀnde gegen emotivis-
tische MusikĂ€sthetiken abzuschwĂ€chen, indem er einige âschreiende[ ] Wider-
sprĂŒche[Â ]â zur kritischen TĂ€tigkeit Hanslicks unterstrich, welche einen ge-
fĂŒhlvollen Musikausdruck hĂ€ufig eigens betone.387 Seit Pleasantsâ Sammlung
von Hanslicks AufsÀtzen (1950) hat sich eine derartige Auslegung im englischen
Sprachraum aus verschiedenen Motivationen ebenfalls entwickelt.388 Wenn
Sams hier noch eher Bukofzers EntkrÀftung inhaltlich zustimmte und schlicht
meinte: âHanslickâs own practice turns out to be as self-contradictory as his
preachingâ,389 war Hall an der posthumen Verteidigung von Hanslick gele-
gen, dessen kritische Arbeiten zeigen wĂŒrden, dass fĂŒr ihn die musikalische
Komposition emotional gesÀttigt wÀre.390 Wie Hanne Appelqvist zutreffend
resĂŒmierte: âHanslick is frequently accused of outright inconsistency based on
his use of emotive terminology in his musical criticisms. Formalism is such an
unsustainable position, it is argued, that even its main advocate could not hold
fast to it.â391
Wie sehr diese reziproke AbwĂ€gung von Ăsthetik und Kritik zu Hanslicks
Lebzeiten bereits ĂŒblich war, wird durch eine spĂ€ter angebrachte ErgĂ€nzung
aus der sechsten VMS-Auflage deutlich, in der von ihm das bisweilen emoti-
onale Musikvokabular derart erklĂ€rt wird: âIn Kritiken von Vocalmusik hat
387 Max Bukofzer, Die musikalische GemĂŒtsbewegung. Erlebnisse, Erkenntnisse, Bekenntnisse,
Nendeln ÂČ1976, S. 246. FĂŒr einige andere Ă€ltere Beispiele siehe etwa auch: Hans Joachim
Moser, Lehrbuch der Musikgeschichte, Tutzing 141965, S. 418; Markus, MusikÀsthetik (wie
Anm. 84), Bd. 2, S. 372 und 386â388; Abegg, Eduard Hanslick (wie Anm. 41), S. 64â67;
Ernst-Joachim Danz, Die objektlose Kunst. Untersuchungen zur MusikÀsthetik Friedrich von
Hauseggers, Regensburg 1981, S. 247; Beinroth, MusikÀsthetik (wie Anm. 375), S. 161.
388 FĂŒr die diversen Tendenzen, die derartige Deutungen fundieren, siehe vor allem: Appel-
qvist, âKantian Ethosâ (wie Anm. 381), S. 75f.; Maus, âHanslickâs Composersâ (wie
Anm. 4), S. 50. Vgl. Kap. 4 und Kap. 5.
389 Sams, âAnti-Wagneriteâ (wie Anm. 167), S. 867. Vgl.: Treitler, âLanguage and Interpre-
tationâ (wie Anm. 374), S. 45; Kathleen Marie Higgins, The Music Between Us: Is Music a
Universal Language?, Chicago/London 2012, S. 223.
390 Robert W. Hall, âOn Hanslickâs Supposed Formalism in Musicâ, in JAC 25/4 (1967),
S. 433â436; âHanslick and Musical Expressivenessâ, in JAE 29/3 (1995), S. 85â92; âHans-
lick with Feelingâ, in CAJ 2 (1998). Vgl.: Francis E. Sparshott, âSinging and Speakingâ, in
BJA 37/3 (1997), S.Â
199â210, hier S.Â
204; Williams, Constructing Musicology (wie Anm.Â
206),
S. 131; Marcello Keller, âWhy is Music so Ideological, and Why do Totalitarian States
Take It So Seriously? A Personal View from History and the Social Sciencesâ, in JMR
26/2â3 (2007), S. 91â122, hier S. 94.
391 Appelqvist, âKantian Ethosâ (wie Anm. 381), S. 76.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423