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2. These und Exkurs: Hanslicks Methodik – Ästhetik versus Kritik
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Formen‘ systematisch komplettiere.451 Hanslick wehrte sich hier aber vor allem
gegen Wagners Diktum, dass sich „der Irrtum in dem Kunstgenre der Oper“
darin finden ließe, „daß ein Mittel des Ausdruckes (die Musik) zum Zwecke,
der Zweck des Ausdruckes (das Drama) aber zum Mittel gemacht war“,452 was
die eben errungene Autonomie der ‚absoluten Tonkunst‘ eminent gefährde.453
Doch auch wenn Hanslick die Grenzlinie auf den letzten Seiten des zweiten
Kapitels praktisch übertreten hat, er somit vokale Musik dort nach teils inst-
rumentalen Eigenschaften durchleuchtete,454 ist die ästhetische Superiorität der
eigenständigen Instrumentalmusik – der ‚reinen absoluten Tonkunst‘ – von
ihm niemals geäußert worden.
Zuletzt soll hier noch eine Untersuchung Frankenbachs erörtert werden,
die die Bewertung von Tanzmusik und die systematische Differenzierung von
einzelnen Hörformen bei Hanslick diskutiert (VMS, Kap. 5)455 und das ein-
gangs genannte Ausspielen von Kritik und Ästhetik bei Hanslick mit der oft
vorgenommenen Universalisierung seiner theoretischen Auffassungen expli-
zit koppelt. Nach einer gelungenen Darstellung, die die politische Grundlage
von Hanslicks Doktrinen präzise erfasst (Kap. 2.1), findet sich eine informa-
tive Textpassage, die das von mir kritisierte Verfahren illustriert: Hanslicks
Memoiren, wo Tanzmusik durchaus positiv gesehen wird, belegten nämlich
seinen vermeintlich gespaltenen Standpunkt, da er diese spezifische Kunstform
in der ästhetischen Abhandlung marginalisiert hätte: „Given the denunciations
of dance found in the treatise, it is surprising to learn that Hanslick was known
to be thoroughly susceptible to the pleasures of dance.“456 Hanslicks Huldigung
451 Robert J. Yanal, „Hanslick’s Third Thesis“, in BJA 46/3 (2006), S. 259–266. Vgl.: Sams,
„Anti-Wagnerite“ (wie Anm. 167), S. 867f.
452 Richard Wagner, Gesammelte Schriften, hrsg. von Julius Kapp, Leipzig 1914, Bd. 11, S. 21.
453 Für Hanslicks Einwände zum Wagner’schen Dramenkonzept vergleiche prinzipiell:
Alexander Wilfing, „Eduard Hanslicks Ästhetik und Richard Wagners Gesamtkunst-
werk“ (i.Dr.).
454 Hanns-Werner Heister, „Enthüllen und Zudecken. Zu Brahms’ Semantisierungsverfah-
ren“, in ders., Relativierung (wie Anm. 323), S. 7–35, hier S. 7; Felix Wörner, „Otakar
Hostinský, the Musically Beautiful, and the ‚Gesamtkunstwerk‘“, übers. von Nicole
Grimes, in Grimes/Donovan/Marx, Rethinking Hanslick (wie Anm. 4), S. 70–87, hier
S. 80.
455 Zu Hanslicks Hörertypen siehe vor allem: Geoffrey Payzant, „Hanslick, Heinse and the
‚Moral‘ Effects of Music“, in The Romantic Tradition: German Literature and Music in the
Nineteenth Century, hrsg. von Gerald Chapple, Frederick Hall und Hans Schulte, Lanham/
New York/London 1992, S. 79–92. Für die größeren Kontexte siehe hier auch: Nicholas
Cook, Music, Imagination, and Culture, Oxford 1990.
456 Chantal Frankenbach, „Waltzing Around the Musically Beautiful: Listening and Dancing
in Hanslick’s Hierarchy of Musical Perception“, in Grimes/Donovan/Marx, Rethink ing
Hanslick (wie Anm. 4), S. 108–131, hier S. 119.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423