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3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption
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In Dwightâs Journal finden sich auch erstmals Passagen aus Hanslicks VMS-Trak-
tat, die ein anonymer Verfasser ins Englische ĂŒbersetzte, was schon durch
Deaville eruiert wurde, wobei dieser wohl auf den nun zitierten Beitrag an-
spielte.502 Der Aufsatz âMusic the Exponent of Emotionâ (1855), der die sprach-
liche ExpressivitĂ€t von âreinerâ Musik kritisch sondiert, erwĂ€hnt zu Beginn
die bekannte Analogie mit dem âKaleidoscopâ (VMS, S. 75f.), um dann auch
Hanslicks Hypothese zur sprachlichen Unfasslichkeit des musikalischen Kunst-
werkes aufzugreifen (VMS, S. 77), das nur metaphorisch beschrieben werden
könnte.503 Wenn bei dem nĂ€chsten Beispiel auch keine direkte Ăbersetzung
erfolgt, muss noch Breakspeares Untersuchung âMusical Aestheticsâ aus dem
Jahr 1880 genannt werden, welche Hanslicks VMS-Traktat gemÀà seiner fran-
zösischen Ăbertragung ĂŒber vier Seiten grĂŒndlich referiert, ihn dann aber als
âvery unsatisfactoryâ charakterisiert, da Hanslicks Argument die âthorough
subversion of the popular held tenets of musical philosophyâ bezweckte.504
Vor Cohens Fassung aus dem Jahr 1891 dĂŒrfte einzig Pole mehrere wichtige
Passagen Hanslicks in The Philosophy of Music (1879) wortwörtlich ĂŒbertragen
haben. Diese Studie ist nicht einzig wegen ihres frĂŒhen Zeitpunkts relevant,
sondern ebenso wegen des thematischen Schwerpunkts der ausgewÀhlten
Textpassagen. Wenn Dwights Interesse an Hanslicks TĂ€tigkeit durch dessen
konservatives MusikverstÀndnis geweckt worden ist, das Dwights Position
entsprach, erörterte Poles Buch dagegen die modernen Elemente von Hans-
licks VMS-Traktat, die sonst meist marginal behandelt wurden. Die bis heute
dominanten Schwerpunkte der Hanslick-Rezeption â GefĂŒhlskĂ€lte, Formalis-
mus, Autonomismus â sind fĂŒr ihn weniger wichtig als Hanslicks Abgrenzung
gegenĂŒber der ihm oft fĂ€lschlich beigelegten Auffassung der ahistorischen
MusikĂ€sthetik (Kap. 2.1). In Poles Kapitel âSystems of Harmonyâ wird eine
ahistorische Bestimmung des westlichen Tonsystems dezidiert abgelehnt, des-
sen basale Regeln nicht natĂŒrlich gegeben, sondern vielmehr kulturell beliebig
und somit historisch gewachsen seien. Als die wichtigste schriftliche AutoritÀt,
die Poles These â welche damals strittig war â argumentativ untermauern soll,
wird von ihm âone of the most celebrated modern works on musical aesthetics,
âVom Musikalisch-Schönenââ, angefĂŒhrt.505
Auf den Seiten 310â312 sind dann auch drei passende Passagen aus Hans-
licks VMS-Traktat zitiert worden, die fĂŒr die Hanslick-Deutung des jĂŒngeren
Diskurses weiterhin essentiell sind, da sie die historische Konstitution seines
502 Deaville, âThrough Historyâ (wie Anm. 29), S. 32.
503 âMusic the Exponent of Emotionâ, in DJM 7/16 (21.07.1855), S. 123â124, hier S. 123.
504 Breakspeare, âMusical Aestheticsâ (wie Anm. 435), S. 72 und 64.
505 William Pole, The Philosophy of Music Being the Substance of a Course of Lectures Delivered at the
Royal Institution of Great Britain, in February and March 1877, London 1879, S. 202.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423