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3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick-Diskurse
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legung hat Hanslick in der ersten Auflage 1854 umsichtig vorgebaut, in der
sich auch eine weiterführende Konkretisierung seines überbewerteten Arabes-
kenbildes findet: „Die Formen, welche sich aus Tönen bilden, sind nicht leere,
sondern erfüllte, nicht bloße Linienbegrenzungen eines Vacuums, sondern
sich von innen heraus gestaltender Geist.“ Er schließt sodann: „Der Arabeske
gegenüber ist dennoch [i.e. demnach] die Musik in der That ein Bild, allein ein
solches, dessen Gegenstand wir nicht in Worte fassen und unsern Begriffen
unterordnen können“ (VMS, S. 78). Dieser Diskurs, der aus der ‚deutschen‘
Wagner-Debatte resultierte, ist im englischen Sprachraum nicht derart üblich,
weshalb logisch scheint, dass beide Grove-Texte bei der Thematik ‚Arabeske‘
Hanslick nirgends anführen,550 das deutsche Pendant – die aktuelle MGG-Aus-
gabe – selbigen dagegen dezidiert aufgreift,551 was auf Oesterles Überblick
„Arabeske“ im Handbuch Ästhetische Grundbegriffe (2010) ebenso zutrifft, der
sicherlich autoritative Wirksamkeit entfaltete.552
William Johnstons The Austrian Mind macht diese diskursiven Unter-
schiede besonders einsichtig, da man im Original die folgende Textstelle fin-
den konnte: „Hanslick postulated that music consists of ‚sounding forms set in
motion‘ (‚tönend bewegte Formen‘), whose interrelations engender impressi-
ons of beauty.“553 Otto Grohmas Übersetzung lautet dann aber: Hanslick „ver-
langte, Musik müsse aus ‚tönend bewegten Formen‘ (Arabesken) [!] bestehen,
deren Wechselbeziehungen Eindrücke von Schönheit hervorrufen“.554 Dass
Hanslicks VMS-Traktat mit der musikalischen Arabeske gleichgesetzt wird,
stellt daher ein vorrangig ‚deutsches‘ Phänomen dar, das der Wagner-Debatte
entspringt und das sich erst spät sowie unter völlig divergenten Bedingungen
im englischen Sprachraum antreffen lässt. Als zwei markante Ausnahmen der
anglophonen Hanslick-Literatur können jedoch Welch und McAlpin genannt
werden, wobei Ersterer Hanslicks Musikbild als „combination of arabesques
Carrière, Ästhetik (wie Anm. 428), Bd. 2, S. 327; Eckardt, Vorschule Aesthetik (wie
Anm.Â
429), S.Â
15; Stade, Vom Musikalisch-Schönen (wie Anm.Â
403), S.Â
11f.; Eugen Schmitz,
Musikästhetik, Leipzig 1915, S. 2f.
550 Maurice J. E. Brown, „Arabesque“, in New Grove, London 1980, Bd. 1, S. 512–513; ders.
und Kenneth L. Hamilton, „Arabesque“, in New Grove², London 2001, Bd. 1, S. 794–795.
551 Lothar Schmidt, „Arabeske“, in MGG², Kassel u.a. 1994, Sachteil Bd.Â
1, Sp.Â
684–686, hier
Sp. 685. Vgl.: Albert Wellek, „Ausdruck“, in MGG, Kassel/Basel 1949–1951, Bd. 1,
Sp. 863–869, hier Sp. 865.
552 Günter Oesterle, „Arabeske“, in Barck u.a., Ästhetische Grundbegriffe (wie Anm. 355),
Bd. 1, S. 272–286, hier S. 278 und 285.
553 Johnston, Austrian Mind (wie Anm. 166), S. 133.
554 William M. Johnston, Österreichische Kultur- und Geistesgeschichte. Gesellschaft und Ideen im
Donauraum 1848 bis 1938, übers. von Otto Grohma, Wien/Köln/Weimar 42006, S. 143.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423